Anschlussheilbehandlung
Nach COVID-19-Erkrankung wird selten an eine Reha gedacht
Für die Ameos Reha-Klinik in Ratzeburg wird die Bedeutung einer Anschlussheilbehandlung nach überstandener COVID-Erkrankung bislang oft unterschätzt.
Veröffentlicht:Ratzeburg. Mit zunehmenden Erkrankungszahlen rückt auch die Reha nach COVID-19 stärker in den Fokus. Noch aber denken längst nicht alle Patienten und ihre weiterbehandelnden Ärzte an eine Anschlussheilbehandlung (AHB).
„Eine spezielle „COVID-19-Rehabilitation“ gibt es nicht. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen einer COVID-19-Erkrankung gefährdet ist, können eine AHB der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beantragen“, klärt die Website des Kostenträgers auf.
Dies erfahren Patienten, die sich selbst mit dieser Frage auseinandersetzen – eine Minderheit. Längst nicht alle Patienten, die die Akutphase der Erkrankung überstanden haben, wissen von der Möglichkeit einer AHB. Manche werden in der Klinik darauf hingewiesen, einige auch bei ihrem weiterbehandelnden Arzt. Oft aber sind alle Beteiligten so erleichtert, COVID-19 überstanden zu haben, dass die Weiterbehandlung in einer Reha-Klinik unterbleibt.
Gefühl der plötzlichen Alterung
Die Ameos Rehabilitationsklinik Ratzeburg machte kürzlich auf die Bedeutung einer AHB nach COVID-19 aufmerksam, weil nach Beobachtung der Experten insbesondere im weiterbehandelnden ambulanten Bereich das Bewusstsein für die AHB nach COVID-19 stärker ausgeprägt sein könnte.
„Eine Corona-Erkrankung setzt nicht nur Lunge, Nieren und Herz zu, sondern auch der menschlichen Psyche“, sagte Dr. Stefan Nagel im Pressegespräch in Ratzeburg. Der Chefarzt des Reha Klinikums für Psychosomatik und pflegende Angehörige nannte als Beispiele das Gefühl, wegen der Erkrankung plötzlich gealtert zu sein und die Verarbeitung der aufgetretenen Verlustängste.
Es gehe aber auch um die Frage, wie uns die mit den Distanzregeln fehlende körperliche Nähe zusetzt. Sein Team in der psychosomatischen Klinik kann solche Fragen in der AHB aufarbeiten. Damit es aber dazu kommen kann, muss nach Ansicht Nagels die Aufmerksamkeit für das Thema erhöht werden.
Sensibilität für die Reha fehlt
Dies gelte auch für die somatischen Beschwerden nach der Akutphase. Dr. Jan Schmielau, Chefarzt des Reha Klinikums und Dr. Burghart Lehnigk, Facharzt für Pneumologie in der Klinik, wünschen sich ebenfalls mehr Sensibilität für die Reha nach COVID-19. „Viele Patienten haben eine Lungenembolie durchgemacht und haben noch Wochen später Luftnot. Das geht in der Nachbehandlung zum Teil unter“, sagte Lehnigk.
Nicht jedem scheinbar genesenen Patienten gelingt nach Einschätzung der Ärzte das Eingeständnis, dass sich der frühere Gesundheitszustand ohne weitere Unterstützung gar nicht oder nur sehr langsam wieder herstellen lässt. „Diese Akzeptanz, dass nicht sofort alles wieder funktioniert, muss sich erst einmal einstellen“, sagte Schmielau.
Die Akzeptanz ist nach Erfahrungen der Ratzeburger Reha-Ärzte stark von der „Fallhöhe“ abhängig. Vor allem zuvor junge und körperlich fitte Menschen haben es nach ihren Erfahrungen schwer, den erlittenen Leistungsabfall zu verarbeiten und die Geduld aufzubringen, die gewohnten Fähigkeiten langsam zurückzuerlangen.
Bis zu acht Wochen bis Reha-Beginn
Die Zeitspannen zwischen Akut und Reha liegen nach Angaben der Ärzte derzeit zwischen einer und acht Wochen. Die meisten der Ratzeburger Patienten kommen bislang auf Empfehlung der Akutkliniken, mehrheitlich aus dem regionalen Einzugsgebiet inklusive Lübeck, nur vereinzelt auf Initiative aus dem niedergelassenen Bereich oder weil sich Patienten selbst darum gekümmert haben.
Das Klinikum würde die Erfahrungen mit bislang erst rund 30 Rehabilitanden gerne ausbauen, auch Studien über die Wirkung der Reha von COVID-19-Patienten wären nach ihrer Ansicht hilfreich. Die Kostenträger sind bei den Anträgen nach Angaben von Krankenhausdirektor Stephan Freitag bislang mehrheitlich aufgeschlossen, wenn es um die Bewilligung der Reha geht.