Gastbeitrag

Neue Transparenz für die Transplantation

Organspende und Transplantation haben Vertrauen verloren in Deutschland. Die Transplanteure wollen es zurückgewinnen. Wie bessere Qualifikation, Transparenz und ein Register das schaffen können, erläutert Professor Björn Nashan von der DTG im Gastbeitrag.

Von Professor Björn Nashan Veröffentlicht:
Nierenpräparation für die Transplantation.

Nierenpräparation für die Transplantation.

© Jan-Peter Kasper / dpa

Seit dem Transplantationsskandal 2012 und dem Organspendeskandal 2011 (als die Deutsche Stiftung Organtransplantation, DSO, in Verruf geriet, Anm. d. Red.) gab es eine konsequente Aufarbeitung der Probleme.

Prof. Björn Nashan

Aktuelle Position: Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG), Direktor der Klinik und Poliklinik für Hepatobiliäre Chirurgie und Transplantationschirurgie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Ausbildung: Medizinstudium in Düsseldorf, Promotion

Werdegang: Postdoc in Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH); Facharzt in Viszeralchirurgie; 2000 Außerordentlicher Professor an der MHH; 2003 Direktor Multi Organ Transplant Program, Professor of Surgery Dalhousie University, Halifax, Nova Scotia, Kanada; seit 2007 Klinikdirektor am UKE

Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) hat den Prozess fachlich begleitet und strukturiert — in der Ständigen Kommission Organtransplantation (StäKO) der Bundesärztekammer (BÄK) und in der DSO gemeinsam mit den Auftraggebern GKV-Spitzenverband und der Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Die Aufarbeitung ist aber noch nicht abgeschlossen.

Dass die Transplantation durch ein eigenes Gesetz geregelt wird, ist in Bezug auf die Behandlung von Patienten ein einmaliger Vorgang. Er ist der Tatsache der besonderen Umstände in der Transplantationsmedizin und bei der Organspende geschuldet. Denn im Vordergrund steht die Gewährleistung einer durch den Staat überwachten und demokratisch legitimierten Ausübung der Medizin.

Doch in der Vergangenheit wurde diese Verpflichtung von einigen der daran Beteiligten nicht so wahrgenommen, wie sie es sollte. Das hatte unter anderem dokumentiertes Fehlverhalten zur Konsequenz, dessen juristische Aufarbeitung noch aussteht.

Staatliche Aufsicht gibt es längst

Die Transplantationsmedizin steht schon heute unter der Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums und damit unter staatlicher Kontrolle. In der StäKO bei der BÄK sind der GKV-Spitzenverband, die DKG, Vorstand und Vorsitzende der Organkommission bei der DTG, das Bundesgesundheitsministerium (BMG), Vertreter der Patientenverbände und Vertreter der Bundesländer beteiligt.

Gleichermaßen sind im Stiftungsrat der DSO je zwei Vertreter der Länder und des Bundesgesundheitsministeriums vertreten - neben der BÄK, den Krankenkassen und Kliniken, der DTG und Patientenverbänden. Damit ist eine staatliche Kontroll- und Aufsichtsfunktion umgesetzt.

Mit der Novellierung des Transplantationsgesetzes (TPG) im vergangenen Jahr wurde außerdem sichergestellt, dass das BMG in Zukunft einen Genehmigungsvorbehalt bei der Erstellung, Aktualisierung und Modifikation der Richtlinien hat, die die Verteilung von Spendeorganen in der Transplantationsmedizin regeln.

Mitautoren dieses Beitrags

Prof. Bernhard Banas, President Elect DTG

Prof. Christian Hugo, Generalsekretär DTG

Prof. Christian Straßburg, Schriftführer DTG

Dr. Helmut Arbogast, Schatzmeister DTG

Nach Paragraf 16 Absatz 2 des TPG legt die Bundesärztekammer das Verfahren für die Erarbeitung und Beschlussfassung der Richtlinien nach Absatz 1 desselben Paragrafen fest. Diese Richtlinien müssen begründet werden. Dabei ist insbesondere die Feststellung des "Stands der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft" nachvollziehbar darzulegen.

Nach Absatz 3 des Paragrafen 16 sind die Richtlinien sowie deren Änderungen dem BMG zur Genehmigung vorzulegen. Das Ministerium kann von der Bundesärztekammer im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern.

Juristisch ist dies daher so einzuordnen, dass die Genehmigung faktisch ein Instrument präventiver Rechtskontrolle zur Einhaltung der Vorgaben des TPG darstellt. Sie erfolgt ausschließlich im öffentlichen Interesse. Dritte haben daher keinen Anspruch gegenüber dem BMG als Genehmigungsbehörde auf ein Einschreiten.

Die Genehmigung ist ein Verwaltungsakt. Ihr Adressat ist zunächst die Bundesärztekammer als Richtliniengeber. Die Genehmigung entfaltet dessen ungeachtet jedoch Wirkung für Dritte, etwa die Transplantationszentren und die Entnahmekrankenhäuser, aber auch die DKG, die Länder, die Krankenkassen, Eurotransplant, die DSO, für Ärzte, Patienten und Organspender.

Darüber hinaus ist eine weitere Änderung im Transplantationsgesetz ebenfalls neu: Laut Satz 2 im Absatz 1 des Paragrafen 16 TPG gilt seitdem die Vermutungsregel. Dies bedeutet, dass die Einhaltung des "Stands der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft" vermutet wird, wenn die Richtlinien der Bundesärztekammer beachtet worden sind.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass im Falle einer Nichtbeachtung der Richtlinien der Gesetzgeber davon ausgehen muss, dass sich der betreffende Mediziner nicht auf dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse bewegt.

Kollegen, die beispielsweise Wartelisten manipulieren oder Laborwerte fälschen, drohen jetzt Geldstrafen oder Haftstrafen von bis zu zwei Jahren. Hieraus geht hervor, dass Lehren aus dem Transplantationsskandal gezogen wurden und systemimmanente Lücken geschlossen wurden.

Dringlichkeit oder Erfolgsaussicht?

Als DTG haben wir bereits seit 2010 auf eine bessere Qualifizierung der beteiligten Transplantationsmediziner hingearbeitet. Daraus entstanden ist die Entwicklung einer Zusatzbezeichnung Transplantationsmedizin als Ausbildungs- und Qualifikationsziel.

Der Vorschlag für die Novelle der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) wurde Anfang 2013 nach intensiven internen Diskussionen eingereicht. Er befindet sich zurzeit im Konvergenzverfahren mit den Landesärztekammern und soll auf dem kommenden 117. Deutschen Ärztetag in Düsseldorf vorgestellt werden.

Diese Weiterbildung und eine kontinuierliche Fortbildung sind entscheidende zukünftige Schritte für eine verbesserte Struktur- und Prozessqualität im Bereich der Transplantation. Sie ist besonders aus der Sicht der DTG zwingend notwendig und wird einen Beitrag dazu leisten, das Vertrauen der Bevölkerung für die Organspende wiederzugewinnen.

In diesem Zusammenhang beteiligt sich die DTG auch in der Arbeitsgruppe, die das Gutachten des BQS-Instituts für ein Transplantationsregister bearbeitet. Die Arbeitsgruppe wurde vom Ministerium eingesetzt und von Frau Dr. Regina Klakow-Franck geleitet, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Das Register wird ein entscheidendes Instrument sein, um anhand nationaler Daten validierte Evidenz zur Erfolgsaussicht und Dringlichkeit der Transplantation in Deutschland zu erarbeiten. Dieses Wissen soll seinerseits wiederum in die Richtlinienarbeit einfließen.

Dringlichkeit und Erfolgsaussicht sind schwierige, kaum miteinander vereinbare Intentionen unter den Bedingungen der Verteilung einer außerordentlich knappen Ressource - nämlich Organen.

Wie sollen vor diesem Hintergrund beispielsweise circa 2500 Spendernieren pro Jahr auf potenziell 80.000 Empfänger an der Dialyse verteilt werden?

Oder ist im Rahmen einer sehr dringlichen Lebertransplantation die Erfolgsaussicht einer 65-prozentigen Überlebensrate innerhalb des ersten Jahres für einen Patienten mit einem MELD-Score* von 35 ausreichend, der ohne Transplantation lediglich eine Überlebenschance von gerade einmal 20 Prozent innerhalb der nächsten drei Monate hätte?

In diesen essenziellen, aber auch nicht neuen Fragen hat die DTG den nationalen Ethikrat kontaktiert und um eine Diskussion gebeten.

Abläufe brauchen mehr Transparenz

Seit einigen Wochen wird zudem über die Sicherheit der Hirntoddiagnostik diskutiert. Die Debatte kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Richtlinien dafür überarbeitet werden. Diese Aufgabe wird durch den wissenschaftlichen Beirat der BÄK unter Beteiligung von Vertretern der einschlägigen Fachgesellschaften wahrgenommen.

Die DTG ist an dieser Diskussion aktiv nicht beteiligt, und dies auch aus gutem Grund: In Deutschland ist durch das TPG eine Trennung der Bereiche Organspende, Allokation und Transplantation festgelegt. Die Organspende ist Aufgabe der Entnahmekrankenhäuser, der Transplantationsbeauftragten und der DSO.

Die Hirntodfeststellung findet in einem mehrstufigen und teilweise mehrtägigen Prozess statt, bei dem sich das Mehraugenprinzip bewährt hat. Die DSO hat in dieser Diskussion eine klare Stellung bezogen und die Sicherheit des Prozesses betont.

Als DTG sind wir intensiv an der Umsetzung der oben genannten Prozesse beteiligt, um das verlorene Vertrauen in die Transplantation zurückzugewinnen. Allen Beteiligten muss klar sein, dass die Abläufe transparenter werden müssen und auch weiterhin einer kontinuierlichen Überprüfung zur Verbesserung der Abläufe bedürfen.

Die DTG als Vertreterin der Transplantationsmediziner in Deutschland bietet allen Kollegen die notwendige Plattform, sich konstruktiv zu engagieren und einzubringen.

*) Das Model for End Stage Liver Disease (MELD) schätzt anhand von INR sowie Kreatinin und Bilirubin im Serum das Risiko, in den nächsten drei Monaten an den Folgen einer Leberkrankung zu sterben (Gastroenterol 2003; 124(1): 91).

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