Wie umgehen mit Anfragen nach Suizidassistenz?

Neues Forschungsnetzwerk befasst sich mit Beihilfe zum Suizid

Seit einem Urteil aus Karlsruhe 2020 erhöht sich die Zahl der assistierten Suizide in Deutschland deutlich. Das wirft schwierige gesellschaftliche und ethische Fragen auf.

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Halle. Ein neues bundesweites Forschungsnetzwerk „Suizidassistenz“ hat am Donnerstag seine Arbeit aufgenommen. Hintergrund sind die bundesweit zunehmenden Fälle, in denen Bürger um Beihilfe zur Selbsttötung bitten.

„Bislang fehlt es weitgehend an wissenschaftlich gestützten Verfahren, wie mit Anfragen nach Suizidassistenz, die in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und aus sehr verschiedenen Motiven entstehen, verantwortungsvoll umgegangen werden kann“, sagte der Sprecher des Netzwerks und Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Universitätsmedizin Halle, Jan Schildmann, am Donnerstag vor Journalisten. Das auf drei Jahre angelegte Vorhaben wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

In Deutschland hat die Zahl der assistierten Suizide zuletzt deutlich zugenommen. 2023 meldeten die drei Sterbehilfeorganisationen laut Netzwerk knapp 900 Fälle, die Dunkelziffer liegt womöglich deutlich höher.

Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass sich in der Schweiz mittlerweile zwei Prozent der Sterbefälle und in Kanada vier bis fünf Prozent der Sterbefälle durch Beihilfe zur Selbsttötung ereignen. Würde man die Zahlen aus der Schweiz auf Deutschland übertragen, käme man auf rund 20.000 Fälle pro Jahr.

Kriterien für freiverantwortliche Entscheidung

Der Anstieg steht im Zusammenhang mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020, wonach freiverantwortlich handelnde Menschen die rechtliche Möglichkeit haben, Hilfe bei der Selbsttötung durch Sterbehelfer in Anspruch zu nehmen. Zugleich hatten die Richter dazu aufgefordert, Regelungen zu finden, damit niemand wegen gesellschaftlichen Drucks oder Einflussnahme aus dem persönlichen Umfeld eine Selbsttötung erwägt.

Das Netzwerk, in dem Vertreter aus zehn unterschiedlichen Disziplinen aus Wissenschaft und Praxis zusammenarbeiten, will sich unter anderem damit beschäftigen, welche Art von Aufklärung und Beratung Menschen erhalten sollen, die ihren Todeswunsch äußern. Auch geht es darum, Kriterien für Freiverantwortlichkeit zu entwickeln und Zahlen über Suizidanfragen und durchgeführte assistierte Suizide zu ermitteln.

„Die Assistenz zur Selbsttötung ist angesichts der Tragweite für die Betroffenen, ihre Angehörigen, aber auch für die Gesellschaft ein kontrovers diskutiertes Thema, das tiefgreifende ethische und darüber hinaus gehende Fragen aufwirft“, sagt Medizinethiker Schildmann. (KNA)

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