Reaktionen auf Honorare 2019

"Nicht einmal die Gehaltssteigerungen der MFA sind abgegolten"

Mit wenig Begeisterung nehmen Berufs- und Ärzteverbände die Ergebnisse der Honorarverhandlungen auf.

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Wie viel kommt 2019 für Ärzte heraus? Verbände sehen das Verhandlungsergebnis kritisch.

Wie viel kommt 2019 für Ärzte heraus? Verbände sehen das Verhandlungsergebnis kritisch.

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BERLIN/NEU-ISENBURG. Ärzteverbände reagieren eher mit Skepsis auf die am Dienstag gefallenen Entscheidungen zum Vertragsarzthonorar 2019. Immer wieder fällt dabei der Blick auf die Inflationsrate. "Worauf sich KBV und GKV-Spitzenverband geeinigt haben, ist im besten Fall ein Inflationsausgleich, dies als einen Erfolg der Selbstverwaltung zu verkaufen, ist ein starkes Stück, meint beispielsweise der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt.

Beim wichtigen Thema "Hausbesuche" sei bisher überhaupt gar nichts passiert, obwohl das für die Hausärztinnen und Hausärzte das drängendste Problem sei. "Es ist nicht länger akzeptabel, dass die Kolleginnen und Kollegen für 22 Euro Hausbesuche fahren müssen", sagt Weigeldt. Es brauche eine substanzielle Erhöhung, die dem Aufwand gerecht werde – "ein paar Euro mehr werden nicht ausreichen".

Die Steigerung um 1,58 Prozent beim Orientierungswert "reicht nicht" kommentiert auch Dr. Hans-Friedrich Spies, Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten und Sprecher der Allianz Deutscher Ärzteverbände, auf Anfrage. Die Steigerungsrate liege unterhalb der Preissteigerungsrate und sei auch niedriger als die verhandelten Personalkosten der Medizinischen Fachangestellten, so Spies.

Auch der NAV-Virchow-Bund weist auf die Probleme hin, das Praxispersonal zu entlohnen. Mit dem erhöhten Orientierungswert ließen sich nicht einmal die Gehaltssteigerungen der Medizinischen Fachangestellten auffangen, die in den vergangenen Jahren 2,6 Prozent (2017) und 2,2 Prozent (2018) betrugen, sagt der Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich.

Die Krankenkassen kämen mit diesem Honorarabschluss nur knapp den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen in puncto Kosten, Morbidität und Menge nach. Die bestehenden Probleme, beispielsweise bei der Unterbezahlung von Hausbesuchen, müssten dringend gelöst und die wohnortnahe Grundversorgung durch Haus- und Fachärzte gestärkt werden, so Heinrich.

Reinhardt: Kassen sind "Hüter der Versicherten-Gelder"

Ähnlich sieht auch Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes, die Ergebnisse der Honorarverhandlungen. Die Krankenkassen verstünden sich "im Wesentlichen als Hüter der von ihren Versicherten eingesammelten Gelder". Von dem Gedanken, gemeinsam Versorgung gestalten zu können "haben wir uns ja leider schon lange verabschieden müssen", so Reinhardt weiter. Die Honorarverhandlungen gestalteten sich daher in jedem Jahr als ein "mühsames Ringen um die nötigen Mittel".

Von den avisierten Nachverhandlungen erwarten die Verbandsvertreter eher wenig: Teilabschlüsse drohten "das Verhandlungsergebnis insgesamt am Ende eher zu verschlechtern", sagte der BDI-Präsident unter Verweis auf die noch ausstehenden Entscheidungen zu den Kostensteigerungen aufgrund von Digitalisierung, Datenschutz und Hygiene.

Die Kostensteigerungen durch die steigenden Anforderungen insbesondere durch die Datenschutzgrundverordnung und die Digitalisierung werden in den Praxen einen "personellen Mehraufwand" bringen. Spies fürchtet aber ein "gegenseitiges Aufrechnen mit der Anhebung des Orientierungswertes: "Es besteht die Gefahr einer Mogelpackung", so der Vertreter der Internisten.

Auch Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt fürchtet, dass das "Nachrechnen" bei den Kosten nur "bedingt positive Effekte" bringt. Aber gerade bei der politisch gewollten Digitalisierung sollte aus dem Bundesgesundheitsministerium ein klares Signal an die Kassen kommen, fordert Reinhardt: "Denn ohne entsprechende Finanzierung wird das ein zähes Unterfangen bleiben."

Was ist mit den Hausbesuchen?

Die Internisten blicken nach Angaben des BDI-Präsidenten mit Hoffen und Bangen auf den Fortgang der Verhandlungen: Für die hausärztlichen Internisten gehe es noch um die Regelung der Hausbesuche und eine Stärkung der Grundversorgung. Die fachärztlichen Internisten ohne Schwerpunkt hofften darauf, dass "wenigstens ein Teil der im TSVG gemachten Versprechungen für extrabudgetäre Leistungen Wahrheit wird".

Die spezialisierten Internisten "sehen demgegenüber schwarz", so Spies. Für den EBM würden sie nach derzeitigen Vorgaben wohl über eine gewollte Fixkostendegression bei den technischen Leistungen zur Finanzierung von Gesprächsleistungen herangezogen. "Damit werden notwendige Neu- und Re-Investitionen dieses apparateintensiven Teil der Versorgung kaum noch möglich werden", vermutet der BDI-Präsident. Spies erwartet, dass ein Teil dieser ambulanten Leistungen zunehmend in den Krankenhaussektor verschoben wird.

Die von den Kassen erwartete Steigerung der extrabudgetär gezahlten Leistungen sieht Spies in engem Zusammenhang mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Die Krankenkassen hätten sich in der Anhörung zum Gesetz einer Entbudgetierung verweigert und wollten nur neue Leistungen zahlen.

SpiFa kritisiert "Elfenbeinturm-Denken"

Lars F. Lindemann, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa), spricht von einem „dürftigen Ergebnis“. Dieses dann noch mit Kommentaren zu garnieren, dass der GKV-Spitzenverband erfolgreich eine Überforderung der Versicherten habe abwenden können, während das System auf Finanzrücklagen von mehr als 20 Milliarden Euro hocke, sei nicht nur schlechter Stil, vielmehr bewirke es ein Fortschreiben des Abwendens von der Selbstverwaltung.

„Beim erfolgten Honorarabschluss für das Jahr 2019 von einem Erfolg zu sprechen, wird der Realität derer, die in der Versorgung der Versicherten jeden Tag Verantwortung übernehmen, nicht gerecht“, kritisiert Lindemann. Dieses „Elfenbeinturm-Denken“ verhöhne jeden Arzt, der in seiner Praxis tagtäglich mit mehr Patienten, mehr Bürokratieaufwand und mehr Versorgungsaufwand konfrontiert sei. (ger/bar)

Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 23.08.2018 um 17.30 Uhr.

Lesen Sie dazu auch: Gassen zu Honorarkompromiss 2019: "Wir müssen realistisch bleiben"

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Kommentare
Dr. Thomas Rupp 24.08.201810:07 Uhr

Diese Honorareinigung ist ein Witz

In Anbetracht höherer Aufwendungen insgesamt, speziell bei Datenschutz, EDV, QM, Hygiene und bei den Löhnen, um in einem leergefegtem Arbeitsmarkt gegenüber den Klinikambulanzen noch qualifizierte MFAs in den Praxen zu halten, ist dieses Hoonorarplus mit einer Steigerung von 1,58% nach einer Erhöhung im Vorjahr von 1,1% ein Witz!
Und die Kassen müssen einmal mehr als unsere Gegner angesehen werden.
Dr. Thomas Rupp, Mannheim

Dr. Thomas Georg Schätzler 23.08.201820:59 Uhr

6 wichtige Fragen an die KBV - und keine Antworten!

1. Wie von KBV und GKV-Spitzenverband vereinbart, steigen allein der Orientierungswert für 2019 um 1,58% und alle anderen Leistungen nicht?

2. Welche wundersame Geldvermehrung soll denn dazu führen, dass laut KBV-Chef am Ende dabei knapp zwei Prozent herauskommen?

3. Großspurig angekündigte "Steigerungen" von 0,3% wegen demografischer Morbidiätsentwicklung bedeuten zu 99,7% unbezahlte Mehrarbeit?

4. Praxis-Mehrkosten für Hygienevorschriften und DSGVO (Datenschutzgrund-Verordnung) konnten nicht im Konsens ermittelt und berücksichtigt werden?

5. Was soll eine KBV-"Erfolgs"-Bilanz binnen fünf Jahren gab es ein Plus von 6,8 Prozent? Das sind lächerliche 1,36% pro Jahr!

6. Wie kann Kollege Gassen behaupten: "Selbstverwaltung funktioniert", wenn zugleich neue finanzielle Eckpunkte für die Honorierung z. B. der Hausärzte unter dem Einfluss des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) und seinem Entwurf eines Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) stehen: Damit wird die unfähige Autonomie der Selbstverwaltung berechtigterweise in Frage gestellt?

Vertragsärztinnen und Vertragsärzte werden finanziell in Haftung genommen für
- das steigende Morbiditätsrisiko,

- den demografischen Faktor bei unseren Patientinnen und Patienten,

- die erhöhten Inanspruchnahmen in Not-, Nacht- und Wochenenddiensten,

- die von GKV-Kassen induzierten "all-you-can-eat" und "flatrate"-Manieren,

- den bio-psycho-sozialen, medizinisch-industriell-pharmazeutischen Fortschritt,

- die unterschiedlichen Bewertungskriterien in Klinik und Praxis,

- das "kostenlose" 2. Meinungsverfahren bei geblockter Gesamtvergütung,

- unsere geleisteten Labor-Mehraufwendungen bei gedeckelter Budgetierung,

- unsere Mehraufwendungen für Bürokratie, Verwaltung und Juristisches.

So lange die KBV nicht die fachspezifischen Regelleistungsvolumina (RLV) für die 3-monatige Quartals-24-H-Versorgung bei Haus- und Fachärzten drastisch anhebt, gibt es keine betriebswirtschaftlich begründete Rationale für unsere umfassende vertragsärztliche Leistungsbereitschaft - Gestern, Heute und Morgen nicht.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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