Organspende: Staat will nicht lockerlassen

Nun ist die Entscheidung da: Nach langem Ringen hat der Bundestag die Reform der Organspende beschlossen. Auf Kassen kommt eine Mammutaufgabe zu.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Sollen bald mehr Bürger haben - einen Organspendeausweis.

Sollen bald mehr Bürger haben - einen Organspendeausweis.

© dpa

BERLIN. Trotz anhaltender Kritik mit Blick auf den Datenschutz und die Deutsche Stiftung Organtransplantation hat der Bundestag am Freitag die Reform der Organspende verabschiedet.

Reform aus zwei Teilen

Reform des Transplantationsgesetzes: Kliniken müssen den Hirntod aller möglichen Organspender melden. Sie werden verpflichtet, Transplantationsbeauftragte zu haben.

Entscheidungslösung: Allen Versicherten über 16 Jahre werden alle zwei Jahre Informationen über Organtransplantationen und ein Spenderausweis zugeschickt. Auf dem Ausweis kann die Entscheidung dokumentiert werden.

Künftig kann dafür auch die eCard in Frage kommen. Niemand wird zur Entscheidung verpflichtet. Zudem werden Lebendspender besser gestellt. Wer Organe spendet, soll unter anderem einen Rechtsanspruch auf medizinische Behandlung haben.

Ab sofort soll zwar kein Bürger gezwungen, aber jeder befragt werden, ob er Organspender werden möchte. "Wir wollen den Menschen etwas mehr auf die Pelle rücken", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier während der Bundestagsdebatte.

Die Frage, ob der Staat die Bürger so bedrängen dürfe, beantwortete Steinmeier selbst mit einem Ja: "Es gibt kein Recht auf Gleichgültigkeit."

Das erklärte Ziel der Organspendereform ist es, dass möglichst viele Menschen ihre Bereitschaft erklären, ihre Organe nach ihrem Tod zu spenden. Zurzeit warten etwa 12.000 Menschen in Deutschland auf eine Organspende, täglich sterben drei.

E-Card-Speicherung als Option

Daher sei die Novelle "eine gute Botschaft" für die schwer kranken Menschen, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder. "Wenn mehr mitmachen, müssen weniger warten", betonte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).

Er verteidigte die Reform gegen die Kritik der Linken und Grünen, die Bedenken zum Datenschutz angemeldet hatten: Krankenkassen erhielten keine Einsicht in die hochsensiblen Patientendaten.

Geplant ist: Versicherte sollen ihre Entscheidung auf der elektronischen Gesundheitskarte dokumentieren können, sobald dies in einigen Jahren technisch möglich ist.

Auf ihre Bitten sollen die Kassen die Daten speichern und löschen können. Steinmeier betonte, dies sei lediglich eine "Serviceleistung" für die Versicherten.

Linke und Grüne waren aus Sorgen um den Datenschutz dagegen. Beide Fraktionen scheiterten jedoch mit ihren Änderungswünschen.

Zudem hatten Linke und Grüne die sogenannte Forschungsklausel kritisiert: Damit könnten aus ihrer Sicht persönliche Daten von Spendern und Empfängern an die Pharmaindustrie gelangen - ohne Zustimmung der Betroffenen. Bahr verteidigte die Pläne: "Die Datenschutzregeln werden eingehalten."

Es geht um Aufklärung

Ein Kernstück der Reform ist die Aufklärung der Bürger: "Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass das Thema für viele mit Ängsten belegt ist", sagte SDP-Politikerin Carola Reimann.

Man wolle die eigene, informierte Entscheidung der Bürger. Dafür werde es eine große Öffentlichkeitskampagne geben, kündigte Bahr an. Künftig werden die privaten und gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, allen Versicherten über 16 Jahre Informationsmaterial und einen Spendeausweis zu schicken.

Auf die Kassen kommt damit eine Mammutaufgabe zu: "Sobald das Gesetz endgültig beschlossen ist, werden sich alle Kassen daran machen, ihre Versicherten entsprechend den Vorgaben zu informieren und zu fragen. 70 Millionen Versicherte anzusprechen ist ein riesiges Projekt", sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, der "Ärzte Zeitung".

Um unnötige Verwaltungskosten zu vermeiden, würden die Kassen prüfen, inwiefern es möglich sei, die Abfrage mit anderen Anschreiben an die Versicherten zu kombinieren.

Auch die Kliniken werden künftig mehr in die Verantwortung genommen: Mit dem Gesetz sollen sie verpflichtet werden, verbindlich Transplantationsbeauftragte zur Organentnahme zu benennen. Beide Gesetze sollen voraussichtlich bis zum 1. Juli im Bundesgesetzblatt stehen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Transplantation braucht Transparenz

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