Pflege
PPR 2.0 soll Pflege-Untergrenzen ablösen
Kliniklobby, Pflegerat und Gewerkschaft Verdi stellen ihr alternatives Instrument zur Pflegepersonalbemessung vor. Ein Ziel eint die drei ungleichen Partner.
Veröffentlicht:Berlin. Die vom Bundesgesundheitsministerium vorgegebenen Personaluntergrenzen für Pflegekräfte bleiben ungeliebtes Kind der Kliniken. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Deutscher Pflegerat und die Gewerkschaft Verdi haben daher am Dienstag in Berlin ein alternatives Instrument zur Personalausstattung vorgestellt.
Grundlage ist eine aktualisierte Variante der Pflegepersonalregelung (PPR), die bereits Anfang der 1990er Jahre in Kliniken zum Einsatz kam. Die Regelung sei zu einer PPR 2.0 weiterentwickelt worden und könne bereits zum 1. Januar 2021 in den Kliniken Anwendung finden, hieß es.
Bei dem Modell wird in zwei Bereiche unterteilt: allgemeine und spezielle Pflege. Die allgemeine Pflege (A-Bereich) umfasst unter anderem Körperpflege, Ernährung oder Mobilisierung.
Die spezielle Pflege (S-Bereich) berücksichtigt Leistungen, die bei operativen und invasiven Eingriffen, medikamentöser Versorgung sowie Wund- und Heilbehandlung nötig sind.
Pretest soll Praxistauglichkeit gezeigt haben
Patienten sollen täglich in insgesamt vier Leistungsstufen im A- und S-Bereich eingestuft werden. Jede Leistungsstufe ist mit einem Minutenwert hinterlegt.
Zudem gibt es für jeden Patienten einen Grundwert pro Tag und einen Fallwert. Damit sollen nicht unmittelbar mit der jeweiligen Verrichtung stehende Leistungen wie behandlungsbezogene Besprechungen oder die Umsetzung von Expertenstandards abgebildet werden.
Addiert ergibt das einen Zeitwert, der den Pflegepersonalbedarf für einen Patienten abbildet. Ein für alle Patienten eines Krankenhauses „aggregierter Zeitwert“ soll den Gesamtpflegepersonalbedarf für die unmittelbare Patientenversorgung auf allen bettenführenden somatischen Stationen für Erwachsene abbilden.
„Mit der PPR 2.0 ist es gelungen, ein unbürokratisches Personalbemessungsinstrument vorzulegen, dass bedarfsgerechte pflegerische Versorgung im gesamten Krankenhaus abbildet“, sagte DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß.
Ein Pretest in 44 Krankenhäusern habe ergeben, dass das Instrument gut anwendbar sei und Zeitwerte wie auch Einstufungskriterien „plausibel“ erschienen.
Die Partner strebten eine rasche Umsetzung an, um die Untergrenzen abzulösen, so Gaß. Letztere führten zu starker Regulierung auf Stationen und zu Leistungseinschränkungen etwa auf Intensivstationen. Zudem fehle den Untergrenzen die positive Botschaft.
„Wir reden hier immer über eine Personalausstattung am untereren Ende. Uns geht es um gute Pflege.“ Allerdings ziehe das alternative Bemessungsinstrument einen „deutlichen“ Mehrbedarf an Personal nach sich.
Pflegerats-Chef Franz Wagner bezifferte den Mehrbedarf auf 40.000 bis 80.000 Fachkräfte. Um ihn zu decken, sei auch an die „stille Reserve“ ausgebildeter Pflegeprofis heranzutreten, die wegen schlechter Arbeitsbedingungen ihren Job an den Nagel gehangen hätten. „Wir sprechen hier über zig Tausende von Menschen.“