Befragung von Hausärzten
Corona-Pandemie treibt Arbeitsbelastung in Praxen weiter nach oben
Der hausärztliche Praxisklima-Index spiegelt die Entwicklung in den Praxen wider: Die sozialen Probleme durch die Pandemie sind längst bei Hausärzten angekommen.
Veröffentlicht:Hamburg. Eine hohe Arbeitsbelastung in vielen Praxen, soziale Probleme zahlreicher Patienten und eine schwierige Situation für die chronisch Kranken: Dies sind die zentralen Herausforderungen, denen sich Hausärzte bundesweit in den ersten acht Wochen des Jahres wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt sahen.
Darauf deuten die Zwischenergebnisse des hausärztlichen Praxisklimaindex (PKI) hin, den das Institut und die Poliklinik für Allgemeinmedizin des Hamburger UKE unter Leitung von Professor Martin Scherer in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), dem Hamburger sowie dem Niedersächsischen Hausärzteverband erstellt. Ziel der Erhebung, an der sich im 14-tägigen Abstand durchschnittlich rund 900 Hausärzte beteiligten, ist ein Eindruck von der hausärztlichen Versorgungssituation während der Pandemie.
Arbeitsbelastung steigt stetig
Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Arbeitsbelastung für Hausärzte durch COVID-19 stetig steigt. Ein Drittel der Befragten gab eine gestiegene Belastung nach den ersten zwei Wochen des Jahres an. Im weiteren 14-Tages-Rhythmus bestätigte jeweils ein weiteres Viertel und in der vierten Befragung ein weiteres Drittel der Teilnehmer diese Entwicklung im Vergleich zum zuletzt abgefragten Zeitraum. Von einer gesunkenen Arbeitsbelastung berichteten in den gleichen Befragungen entweder deutlich weniger oder ein gleich hoher Anteil an Hausärzten.
Ein bedeutsamer Teil der zusätzlichen Arbeitsbelastung ist offensichtlich entstanden, weil viele Patienten unter sozialen Problemen leiden. Diesen Grund nannten in der ersten Befragung 47 Prozent der Ärzte. Damals gab allerdings ein noch höherer Prozentanteil (49 Prozent) an, dass ihre persönliche Arbeitsbelastung durch Patienten mit sozialen Problemen sogar gesunken sei.
Dann aber änderte sich das Bild: Weiterhin rund die Hälfte der Ärzte gab bei jeder Befragung wieder an, dass ihre persönliche Arbeitsbelastung durch Patienten mit sozialen Problemen gestiegen sei. Gesunken war sie jeweils nur noch bei rund vier Prozent. „Das ist ein deutlicher Hinweis. Die sozialen Probleme werden in die Hausarztpraxen getragen“, sagte Scherer der „Ärzte Zeitung“.
Corona-Impfstoff wurde schlechtgeredet
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei der Zahl der chronisch kranken Patienten, die aufgrund der aktuellen Situation nicht adäquat versorgt werden können. Alle 14 Tage berichten zwischen 22 und 33 Prozent der Hausärzte, dass diese Zahl an Patienten in ihrer Praxis zunimmt. Nach den ersten zwei Wochen im Jahr gab es noch ein Drittel an Hausärzten, bei denen diese Zahl auch sank. Danach fiel dieser Wert auf unter fünf Prozent.Neben dem Basisteil mit wiederkehrenden Themen werden im PKI auch Fragen zu aktuellen Problemen gestellt. In der jüngsten Erhebung wurde etwa die Meinung zum AstraZeneca-Impfstoff abgefragt. Der Aussage, dass dieser gezielt schlecht geredet wird, stimmten über 90 Prozent der Teilnehmer ganz oder teilweise zu. Vier Wochen zuvor hatten nur 75 Prozent der Teilnehmer die AstraZeneca-Vakzine für eine sinnvolle Option für die eigenen Patienten gehalten.
„Diese Entwicklung ist ermutigend. Offensichtlich ist die Meinung der Fachgesellschaft durchgedrungen“, sagte Scherer. Er erwartet, dass sich das Image des AstraZeneca-Impfstoffs mit der Verlagerung des Impfens in Hausarztpraxen weiter verbessern lässt. Für die Verlagerung sprachen sich in der Befragung nach der 6. Kalenderwoche 80 Prozent der Hausärzte aus.
Weitere ausgewählte Ergebnisse aus den ersten vier Befragungen:
- Niederschwelliger Zugang für Laien zu Schnelltests: 62 Prozent der Hausärzte halten diesen Zugang für sinnvoll und erwarten davon eine Entlastung für ihre tägliche Arbeit.
- Quarantäneauflagen: Zumindest zeitweise war der Praxisbetrieb dadurch eingeschränkt. Ein Viertel der Befragten gab in der nach der zweiten Kalenderwoche an, dass die Praxis deshalb eingeschränkt sei.
- Aufklärungsbedarf vor Impfungen in den Impfzentren: Fragen hierzu werden im Arzt-Patientengespräch immer wieder thematisiert. Ein Großteil der Hausarztpraxen, rund 85 Prozent, gab an, dass in dieser Frage hoher Aufklärungsbedarf besteht.
- Priorisierung bzw. Indikationsstellung für die SARS-CoV-2-Impfung durch Hausärzte: In der ersten Januarhälfte waren rund 57 Prozent dafür, in der zweiten Hälfte schon 95 Prozent.
Die Umfrage erfolgt bundesweit als Onlineerhebung über die E-Mailverteiler der kooperierenden Institutionen. Die Quoten in den Bundesländern variieren zum Teil stark, die höchsten werden in Niedersachsen, Hamburg, Bayern und Baden-Württemberg erreicht.
Scherer hofft, dass weitere regionale Hausärzteverbände den PKI unterstützen, um regelmäßig die Stimmung in den Praxen zu erfahren. Die Befragungen sollen auch nach der Pandemie im 14-tägigen Rhythmus fortgesetzt werden. Scherer kann sich auch Ad-hoc-Befragungen zu aktuellen Themen vorstellen. Die nächste Befragung beginnt am 12. März.