„Brauchen einen Masterplan Pflege“
Pflegekammer Rheinland-Pfalz: Einstiegsgehalt 4000 Euro?
Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz mahnt schnelle Maßnahmen an, um den Pflegeberuf attraktiv zu halten. Dazu gehört auch ein Einstiegsgehalt von 4000 Euro. Denn eine Umfrage der Kammer zeigt: 85 Prozent leiden unter der hohen Arbeitsbelastung. Viele denken bereits darüber nach, hinzuschmeißen. Und daran ist nicht erst Corona schuld.
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Ein Pfleger zieht auf der Intensivstation für Corona-Patienten beim Verlassen der Station sein Visier aus. Die Pandemie hat die Arbeitsbelastung bei den Pflegekräften erhöht, aber viele Probleme – so auch der Fachkräftemangel – waren schon vor der Pandemie bekannt. (Archivbild)
© Sebastian Gollnow/dpa
Mainz. Drei von vier Pflegekräften in Rheinland-Pfalz spielen bereits mit dem Gedanken aus dem Pflegeberuf auszusteigen. Jeder Zweite davon sogar öfter. So das Ergebnis einer Befragung der Mitglieder der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz durch das Institut für Demoskopie Allensbach, an der sich 1253 Pflegekräfte beteiligt haben.
Die Befragung ist nicht repräsentativ. Dadurch, dass sich zwölf Prozent der Kammermitglieder beteiligt haben, gibt sie aber dennoch einen guten Einblick in die aktuelle Gemütslage der Pflegekräfte. Es knirscht an allen Ecken und Enden – und das eben nicht erst seit Corona. Bereits in der ersten Befragung, die im Winter 2019, also kurz vor der Pandemie, stattfand, gaben über 70 Prozent an, solche Berufsausstiegsgedanken zu hegen. Damals taten dies aber nur 30 Prozent öfter, aktuell sind es 38 Prozent. Und es waren 2019 vor allem die Jüngeren, die teils überrascht wurden von dem, was ihnen der Beruf abverlangt, erläuterte Dr. Thomas Petersen vom Allensbach-Institut bei der Ergebnispräsentation am Donnerstag.
Ausstiegsgedanken längst kein Problem mehr der Jüngeren
„Jetzt sind es vermehrt auch die erfahrenen Pflegekräfte, die ja wissen, um was es in dem Beruf geht, die ans Aufhören denken“, ergänzte er. Fast ein Drittel der über 50-Jährigen und 41 Prozent der 30- bis 49-Jährigen spielten öfter mit diesem Gedanken.
Dass die Pandemie die Situation noch einmal verschärft hat, zeigen auch folgende Ergebnisse der Umfrage: 85 Prozent sagen, dass die Arbeitsbelastung zugenommen hat (bei 58 Prozent deutlich, bei 27 Prozent etwas). Die Hauptgründe sind aber nicht neu und nicht nur corona-bedingt. 77 Prozent der Umfrageteilnehmer macht der Zeitdruck zu schaffen, 2019 gaben 73 Prozent selbiges an. Drei Viertel klagen zudem über den hohen Verwaltungsaufwand (2019: 72 Prozent). 51 Prozent sehen Mängel in der Organisation (2019: 52 Prozent), die schlechte Bezahlung belastet wie schon 2019 aktuell 48 Prozent. Neu ist, dass 45 Prozent sich sorgen, ihre eigene oder die Gesundheit ihrer Familie zu gefährden.
Aufhorchen lassen sollte die Arbeitgeber und die Politik laut Petersen aber noch ein anderer Punkt: 35 Prozent und damit jeder Dritte hat das Gefühl, den eigenen Ansprüchen an den Beruf nicht mehr gerecht werden zu können. 2019 sagte das nur jeder Fünfte von sich.
Kammer ruft nach mehr staatlicher Förderung
Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz fordert konkrete Maßnahmen von Politik und den Einrichtungsträgern. „Wir brauchen einen Masterplan Pflege“, so Professorin Brigitte Anderl-Doliwa vom Vorstand der Pflegekammer. Da die meisten Maßnahmen, wie die Aufstockung des Personals bei einem aktuell vorhandenen Fachkräftemangel, realistisch betrachtet erst langfristig wirkten, müssten zusätzlich kurzfristige Handlungsfelder identifiziert werden. „Wir brauchen staatliche Mittel zur Förderung von Entlastungsmaßnahmen, etwa zur Förderung der Supervision oder Absicherung im Krankheitsfall aufgrund nachhaltiger Überlastung“, sagte sie. Staatliche Unterstützung fordert sie aber auch bei der Reduktion von Arbeitszeit und für die Förderung von Erholungsmaßnahmen. Und es müsse deutlich bessere Hilfen bei Berufsunfähigkeit geben.
Für den rheinland-pfälzischen Pflegekammerpräsidenten, Dr. Markus Mai, steht aber auch die Gehaltsfrage ganz oben auf der Liste. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten sich endlich auf ein Einstiegsgehalt von 4000 Euro einigen. So lange dies noch nicht gilt, müsse es für jede Pflegekraft pro Monat einen Steuerfreibetrag von 1000 Euro geben, im Jahr also 12.000 Euro, legte er nach. Außerdem forderte er einen Renteneintritt ab 63 Jahren für langjährig arbeitende Pflegefachkräfte.
Solle der Beruf attraktiver werden, müssten zudem die Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten angepasst werden. „Wir wollen eigenverantwortlich heilkundliche Tätigkeiten übernehmen. Dafür brauchen wir nicht noch 150 Modellprojekte“, so Mai. Die Akademisierung sei weiter voranzubringen. Und es müssten neue Berufsfelder für die Pflege etabliert werden. „Wir sehen da erhebliche Bedarfe, sei es die Community Health Nurse oder die School Nurse, Pflege könnte viel mehr schon präventiv ansetzen.“