Akademisierung

Pflegekraft mit Diplom arbeitet weiter nah am Bett

Eine Verbleibstudie von Absolventen in Modellstudiengängen zeigt, dass auch studierte Hebammen oder Physiotherapeuten zumeist patientennah tätig sind.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht: | aktualisiert:
Studenten der Berlin-Brandenburger Akademie für Gesundheit lernen den Umgang mit Ultraschall für den Einsatz in der Physiotherapie.

Studenten der Berlin-Brandenburger Akademie für Gesundheit lernen den Umgang mit Ultraschall für den Einsatz in der Physiotherapie.

© Hans Wiedl / dpa

Köln. Die Modellstudiengänge für Gesundheitsberufe erfüllen die Erwartungen. Nach einer aktuellen Studie finden die Absolventen in der Regel nach dem Abschluss in ihrem Beruf eine Stelle und üben vor allem versorgungsnahe Tätigkeiten aus. Die Arbeitgeber sind mit den an den Hochschulen erworbenen Kompetenzen zufrieden.

Nach der „Verbleibstudie der Absolventinnen und Absolventen der Modellstudiengänge in Nordrhein-Westfalen“ (VAMOS) finden die akademisch ausgebildeten Ergotherapeuten, Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten und Pflegenden in der Regel einen „einschlägigen Berufseinstieg“.

84 Prozent sind hauptberuflich mit patientennahen Aufgaben befasst (die Anteile variieren von 78 Prozent in der Pflege bis zu 93 Prozent in Ergotherapie und Hebammenkunde).

Mehrheit arbeitet patientennah

Durch Modellklauseln in den Berufsgesetzen sind seit dem Jahr 2003 Studiengänge in den Pflegeberufen und seit 2009 in der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Hebammenkunde möglich. In Nordrhein-Westfalen sind an sieben Hochschulen insgesamt elf Bachelor-Studiengänge angeboten worden, an sechs Standorten laufen sie bis heute.

Ein Konsortium aus Forschern aus den sieben Hochschulen sowie des Instituts für Bildungs- und Versorgungsforschung, des Instituts Arbeit und Qualifikation und des Instituts Arbeit und Technik hat untersucht, wie es mit den Studierenden nach dem Bachelor-Abschluss beruflich weitergegangen ist.

Teilgenommen haben 515 Absolventen und 109 Arbeitgeber. Sie wurden online befragt. Bei einem Teil kamen qualitative Interviews hinzu.

Die Studie wurde vom NRW-Gesundheitsministerium gefördert und von der Hochschule für Gesundheit Bochum koordiniert. Sie wird am 18. November auf der Medizinmesse Medica in Düsseldorf vorgestellt.

Vermittelte Kompetenzen als Mehrwert

Die Akademiker haben im Vergleich zu Kollegen, die an Fachschulen ausgebildet wurden, erweiterte Kompetenzbereiche. Dazu gehören insbesondere Beratung, interprofessionelle Zusammenarbeit, Projektarbeit, wissenschaftliche Recherche, Konzeptentwicklung sowie die Verantwortung für Fachthemen.

Zwischen 14,8 Prozent (Pflege) und 23,6 Prozent (Physiotherapie) übernehmen auch in stärkerem Maße als die Kollegen Aufgaben anderer, nicht-ärztlicher Berufsgruppen, heißt es.

„Ärztliche Aufgaben hingegen übernimmt nur in der Hebammenkunde und der Pflege ein größerer Anteil der Befragten (17,2 Prozent beziehungsweise 17,6 Prozent) über das Maß der Berufskollegen hinaus.“ Laut der Befragung sieht der Großteil der Arbeitgeber die im Studium vermittelten Kompetenzen als Mehrwert.

Ganz oben steht dabei das Recherchieren, Bewerten und Kommunizieren wissenschaftlicher Erkenntnisse (91 Prozent). 90 Prozent der Chefs finden, dass die Kompetenzen den Anforderungen der Berufspraxis entsprechen.

98 Prozent der Arbeitgeber sind zufrieden mit der Entscheidung, die akademisch ausgebildeten Mitarbeiter eingestellt zu haben. Alle planen die Einstellung weiterer Absolventen der Modellstudiengänge.

60 Prozent der Absolventen sind mit ihrer Tätigkeit in hohem oder sehr hohem Maß zufrieden. Allerdings empfinden 67 Prozent ihr Gehalt als nicht angemessen. Fast jeder zweite zeigt konkretes Interesse an einem weiteren Studium, etwa an klinisch ausgerichteten Masterstudiengängen.

„Studiengänge sollen in Regelbetrieb“

Angesichts der guten Erfahrungen halten es die Autoren für folgerichtig, „die erprobten Studiengänge in den Regelbetrieb zu überführen“. Die Ergebnisse der Studie sollten zudem für die Weiterentwicklung und Qualitätssicherung genutzt werden, schlagen sie vor.

Aus Sicht von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) belegt die Studie, „dass die Kompetenzen der Bachelorabsolventen in der Praxis bei den Patienten ankommen. Dort werden sie auch dringend gebraucht.“

Das ist Wasser auf die Mühlen von Professorin Anne Friedrichs, Präsidentin der Hochschule für Gesundheit, die alle fünf Modellstudiengänge anbietet. „Es stützt unsere langjährige Forderung, baldmöglichst alle Modellstudiengänge in Regelstudiengänge zu überführen, wenn deutlich wird, dass sich unsere Absolventen erfolgreich in den Arbeitsmarkt integrieren und ihr Kompetenzprofil auch von Arbeitgebern gefragt ist.“

Qualität der Lehre weiter verbessern

Ihre Hochschule werde die Ergebnisse der Studie und die Rückmeldungen von Absolventen und Arbeitgebern zum Anlass nehmen, die Lehre mit deren Ansprüchen abzugleichen und die Qualität der Lehre weiter zu verbessern.

Die Studie zeigt nach Friedrichs Einschätzung auch, welche Faktoren sich verbessern müssen, damit die Absolventen in der Versorgung bleiben und ihre Potenziale zur Verbesserung der Versorgungsqualität ausschöpfen können.

„Zu den wichtigsten Faktoren gehören hier die Handlungsspielräume sowie die Rahmenbedingungen, in denen sie arbeiten – und hiermit ist insbesondere die Vergütung gemeint.“

Das sieht Laumann genauso: „Hier muss ganz klar nachgebessert werden.“

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Kommentare
Dr. Schimmelpfennig 12.11.201908:55 Uhr

Die Akademisierung von Hilfsberufen ist keine Lösung für Probleme, insbesondere nicht für fehlenden Nachwuchs. Die Wahrheit ist, sie schafft neue Probleme. Die Akademisierung bringt Unfrieden in die Abteilungen, wo es klassisch ausgebildet Erfahrene gibt und akademisch Fortgebildete im Team gibt. Der/die Akademisierte sieht sich i.d.R. als kenntnisreicher (was er de facto nicht ist) an und erhebt Ansprüche für einen höheren Verdienst. In beiden Fällen gibt es dann Enttäuschungen (kenne ich konkrete Beispiele), die darin münden können, dass die berufliche Tätigkeit dann aufgegeben wird, bzw. in nicht-kurative Berufsfelder abgewandert wird, oder gleich weiter Medizin studiert wird.

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