Betrugsverdacht in der Pflege

Polizei im Großeinsatz

Verdacht auf Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe zu Lasten der Pflegeversicherung: In Berlin waren mehr als 100 Polizisten im Einsatz.

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BERLIN. Wegen des Verdachts organisierter Kriminalität bei der Altenpflege ist die Berliner Polizei gegen einen Ring von mutmaßlichen Betrügern vorgegangen.

Mehr als 100 Polizisten durchsuchten am Donnerstagmorgen die Geschäftsstelle einer Pflegefirma sowie 29 Wohnungen in Berlin und Brandenburg.

Die 41-jährige Geschäftsführerin der Firma wurde verhaftet. Der Schaden soll bei einer Million Euro liegen.

Unter Verdacht stehen zudem sieben Mitarbeiter und Pflegekräfte sowie 31 Patienten, die am Betrug durch vorgetäuschte Leistungen beteiligt sein sollen. Fast alle Verdächtigen sind Russen oder russischstämmig.

Polizeisprecher Thomas Neuendorf sagte: "Die Pflegefirma und die Patienten haben regelrecht zusammengearbeitet." Die eigentlich recht gesunden Patienten täuschten demnach vor, dass sie pflegebedürftig seien und in ihren Wohnungen Hilfe bräuchten.

Bis zu 2000 Euro im Monat

Die Firma habe von den Pflegeversicherungen pro Fall bis zu 2000 Euro im Monat für ambulante Pflege kassiert, die gar nicht geleistet wurde. Jeweils einige hundert Euro monatlich zahlte die Firma dann den Patienten.

Am Wochenende waren Einschätzungen des Bundeskriminalamts (BKA) bekanntgeworden, wonach den Sozialkassen mit betrügerischen Abrechnungen russischer Pflegedienste mindestens eine Milliarde Euro Schaden im Jahr entsteht.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte daraufhin ein schärferes Vorgehen an. Er werde zügig prüfen, ob in der häuslichen Krankenpflege unangemeldete Kontrollen eingeführt werden können, sagte er der Zeitung "Die Welt" (Donnerstag).

Die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen hatten beklagt, dass es keine Möglichkeit für unangemeldete Prüfungen gebe.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz teilte mit: "Ohne Ermittlungsdruck in den Ländern gegen mafiöse Strukturen in der Pflege wird es nicht gelingen, den bundesweiten Sumpf trockenzulegen."

Der zuständige Sozialstadtrat von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), erklärte, schon vor zwei Jahren habe er die Bundesregierung auf die Erfahrung mit kriminellen Diensten hingewiesen.

Damals schrieb von Dassel in einem Brief an die Bundesregierung, in seinem Großbezirk mit 360 000 Einwohnern seien sieben Mal so viel Menschen mit russischer Herkunft als pflegebedürftig gespeichert wie Berliner sonstiger Herkunft. Bei türkischer Herkunft ist die Zahl laut von Dassel viermal so hoch.

Bisher keine Verurteilungen

In sehr vielen Fällen wird die Pflegebedürftigkeit offenbar nur vorgetäuscht. "Betrug funktioniert eben am leichtesten innerhalb einer geschlossenen Community", so von Dassel.

Trotz zahlreicher Anzeigen in den vergangenen Jahren habe es keine Verurteilungen und keine Vermögenssicherstellungen gegeben. (dpa)

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Kommentare
Carmen P. Baake 22.04.201608:18 Uhr

Ergebnis der Qualitätsprüfung im September 2015: Note 1.0

In den Fernesehberichten zu dieser Großrazzia in Berlin kann man den Namen des beschuldigten Pflegedienstes und dessen Verbandszugehörigkeit sehen.
Gibt man den Namen z. B. im aok-pflegedienstnavigator ein, kommt das Ergebnis, dass dieser Pflegedienst bei der letzten Qualitätsprüfung eine glatte 1,0 bekommen hat.Zu diesem Zeitpunkt hatte der Pflegedienst 169 Kunden. Davon wurden 9 in die Prüfung einbezogen.

Für mich ist das ein klarer Beleg dafür, dass die Pflegekassen es entweder mit der Abrechnungsprüfung nicht Ernst meinen, die sie seit 2001 im Rahmen der Qualitätsprüfung durchführen können, oder/und das Instrument absolut ungeeignet ist, um Betrügern auf die Spur zu kommen.

Warum sollte dann für die häusliche Krankenpflege ein ebensolches Verfahren bessere Ergebnisse bringen?

Ich bin gespannt, ob und welche Ergebnisse die Großrazzia bei dem Berliner Pflegedienst liefert. Die Kranken- und Pflegekassen begründen die ergebnislosen Qualitätsprüfungen immer damit, dass sie sich einen Tag vorher anmelden müssen (stimmt übrigens seit dem 01.01.2016 bei konkreten Prüfanlässen nicht mehr). Dank der medialen Welle zum BKA-Bericht war aber auch die Großrazzia für die Inhaberin des Pflegedienstes seit dem 16.04. absehbar - oder?

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