Häusliche Pflege

Mit Kontrollen gegen Abrechnungsbetrug

Russische Pflegedienste stehen unter Verdacht, systematisch betrogen und deutsche Sozialkassen um einen dreistelligen Millionenbetrag geprellt zu haben. Das Bundesgesundheitsministerium will jetzt die Lücken in der häuslichen Pflege schließen – vielleicht aber nicht so, wie einige es sich wünschen.

Von Martina Merten Veröffentlicht:
Pflege zu Hause: Sollen Prüfer in Zukunft auch hier unangemeldet kontrollieren dürfen?

Pflege zu Hause: Sollen Prüfer in Zukunft auch hier unangemeldet kontrollieren dürfen?

© Angelika Warmuth / dpa

BERLIN. Russische Pflegedienste betrügen die deutschen Sozialkassen systematisch - das Bundeskriminalamt (BKA) habe Hinweise auf Strukturen organisierter Kriminalität in diesem Bereich, berichteten die "Welt am Sonntag" und der Bayerische Rundfunk (BR) am Wochenende.

Die Reaktion des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) folgte auf dem Fuße. "Betrug muss systematisch verfolgt werden", unterstrich ein Sprecher des BMG einen Tag nach Bekanntwerden massiver Betrugsvorwürfe im Bereich der häuslichen Krankenpflege (HKP) durch russisch-eurasische Pflegedienste.

Schließlich müssten sich Patienten, Pflegebedürftige und ihre Familien darauf verlassen können, dass ihnen die gesetzlich zustehende Unterstützung auch zukommt und nicht in kriminellen Strukturen versickere.

Beratungen in der Gesundheitsministerkonferenz angekündigt

Wie Lücken bei der Qualitätskontrolle im Bereich der HKP geschlossen werden können, will das BMG mit den Bundesländern im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz beraten.

Darüber hinaus liefen bereits Gespräche mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, der KBV, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, da insbesondere im Zusammenhang mit Intensivpatienten verschiedene Bereiche betroffen seien, heißt es vom BMG.

Eines stellte das BMG allerdings bereits klar: "Unangemeldete Kontrollen in einer häuslichen Umgebung sind so einfach nicht möglich."

Bei den im Bericht der "Welt am Sonntag" geschilderten Fällen ging es auch um Betrug von Pflegediensten mit Intensivpatienten, die eigentlich rund um die Uhr Betreuung benötigen, diese aber dem Bericht zufolge nicht erhielten. Über die Krankenkassen hätten kriminelle Pflegedienste allerdings 24 Stunden-Dienste abgerechnet, heißt es.

Möglich ist dies, da der Gesetzgeber den Krankenkassen bei der häuslichen Krankenpflege (§37 SGB V) bislang kein unangemeldetes Prüfrecht einräumt - zum Unmut von GKV-Spitzenverband-Vorstand Gernot Kiefer. "Genau in diese Lücke gehen offenbar die Pflegedienste", so seine Kritik.

Lediglich für Leistungen aus der Pflegekasse sieht der Gesetzgeber unangemeldete Prüfungen durch den MDK vor (§114a SGB XI).

Kiefer beziffert den Schaden insbesondere für Krankenkassen und Sozialhilfeträger durch Abrechnungsbetrug im Bereich der HKP auf einen dreistelligen Millionenbetrag.

Ruf der gesamten Pflegebranche wird beschädigt

SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach hofft auf mehr Kontrolle an der richtigen Stelle. "Im Pflegebereich stehen wir grundsätzlich vor dem Problem, dass zwar viel kontrolliert wird, aber oft das Falsche."

Der Vorstand der Deutschen Stiftung für Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisiert zudem, die meisten Bundesländer hätten ihre Aufsicht von Wohngemeinschaften und Pflegeheimen auf ein Minimum zurückgefahren. Es sei wichtig, Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Bundesländern einzurichten.

Das BMG verwies indes darauf, dass mit dem kürzlich verabschiedeten Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen auch die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen (§197a SGB V) gestärkt werden.

Vor einem geschädigten Ruf der gesamten Pflegebranche warnte der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad). "Die bislang bekannt gewordenen Einzelheiten der Ermittlungen lassen wenig Erkenntnisgewinn vermuten", unterstrich bad-Geschäftsführerin Andrea Kapp.

Auch der Sprecher des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Olaf Bentlage, findet es bedauerlich, dass durch kriminelle Machenschaften einzelner nun hunderttausende Beschäftigte und tausende ambulante Dienste in Verruf geraten".

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Kommentare
Dipl.-Psych. Antje Kräuter 19.04.201617:14 Uhr

In Sachsen hat fast niemand betrogen

Gestern Nachmittag kam im Radio (mdr) die Widerleguung dieser Behauptung. In Sachsen, in der größten KK (AOK plus) gab es so gut wie keine derartigen Fälle, und auch nicht besonders durch russische oder osteuropäische Pflegedienste!

Ich frage mich, ob das Ganze nicht auch ein Teil des im Moment zu beobachtenden Russland-blamings ist. Wodurch hat denn das BKA schon sofort dieses angebliche Ausmaß erkannt? Dazu wird nichts berichtet. Wenn das BKA vorerst Hinweise auf organisierte Kriminalität hat, wieso weiß man da schon etwas von einem dreistelligen Millionenbeitrag? das ist sehr seltsam.

Dr. Michael Hill 18.04.201620:55 Uhr

Russische Pflegedienste und Abrechnungsbetrug

Wenn es Ärzte wären würde die gesamte Politik die Juristen aufscheuchen, um denen das Handwerk zu legen. Aber es sind ja nur "Pflegedienste", die nunmehr vermehrt "kontrolliert" werden sollen aber nicht sanktioniert oder gar strafrechtlich verfolgt...!. Es geht zwar "nur" um Milliarden aber
"Schließlich müssten sich Patienten, Pflegebedürftige und ihre Familien darauf verlassen können, dass ihnen die gesetzlich zustehende Unterstützung auch zukommt und nicht in kriminellen Strukturen versickere".
Das BMG verwies auf das kürzlich verabschiedete Gesetzt zur Bekämpfung von Korruption im Gesindheitswesen in dieser Angelegenheit.
Toll, Gesundheitspolitik in Deutschland wird von sogenennaten Experten betrieben, die garantiert nichts davon verstehen, sondern sich auf die Absonderung von Absichten erklären, die am leichtesten im GKV System die "Primär-Ganoven" ausmachen, sogenannte Kugelschreiberbestechlinge. An die dicken Fische traut man sich nicht heran. Das mag vielleicht auch eher an der Größenordnung der Abzocke liegen.
Das der bestechliche Doktor seine Fortbildung und die Verköstigung bezahlt bekommt ist sicherlich schwerwiegender, weil der Normal-Bürger auf dem Wege des Bildzeitungseinkaufes beim daneben liegendem Italiener keine gesponserte Pizza bekommt und sie trotz "Bild" bezahlen muss.
Dieser Sozialvergleich ist anscheinend eine gute Ausrede, sich nicht mit der russischen Mafia auseinander setzten zu müssen, denn die versorgen ja nur Pflegebedürftige, wenn auch nur auf dem Papier.

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