Versorgung
Private Equity ist auch eine Chance
Überraschende Einigkeit zwischen Grünen und Liberalen: Private Equity in der ambulanten Medizin ist eine Chance, wenn Ärzte unabhängig bleiben und Transparenz herrscht.
Veröffentlicht:Berlin. „Private Equity ist nicht grundsätzlich gut und auch nicht grundsätzlich schlecht. Die Frage ist, wie wir es schaffen, ärztliche Unabhängigkeit und Qualität der Versorgung zu sichern.“ Diesen überraschend pragmatischen Standpunkt vertrat die Ärztin Dr. Kirsten Kappert Gonther, Bundestagsabgeordnete der Grünen und Mitglied des Gesundheitsausschusses, beim jüngsten Frühjahrssymposion der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO).
Unter Ärzten und manchen ihrer Organisationen ist der Einstieg „gesundheitsfremden“ Kapitals, beispielsweise durch Finanzinvestoren höchst umstritten. Befürchtet wird, dass – um Renditen zu bedienen – Mittel aus der Versorgung abgezweigt werden, die Qualität sinkt und Ärzte unter ein betriebswirtschaftliches Diktat gezwungen werden könnten.
Tatsächlich aber sind immer weniger Nachwuchsärzte willens und fähig, das Investitionsrisiko für eine High-Tech-Praxis zu übernehmen. Sowohl Praxisübernahmen als Neugründungen durch jüngere Ärzte sind schwierig, darin waren sich alle Teilnehmer des Symposions, die Professoren Lorenz Trümper und Ingo Tamm von der DGHO sowie Kappert-Gonther und ihr FDP-Kollege Professor Andrew Ullmann einig. Ursächlich dafür sei auch der hohe und steigende Kapitalbedarf. Als ein Segen habe sich das MVZ als Organisationsform erwiesen. Umstritten ist aber , wer die Trägerschaft übernehmen darf. Tatsache ist, dass der Anteil der MVZ in vertragsärztlicher Trägerschaft rückläufig ist, der von Kliniken und Privatinvestoren zunimmt.
Vertikale Konzentration kontrollieren
Man müsse anerkennen, dass Private Equity die Liquidität der Praxen erhöht, Investitionsfähigkeit sichert und Synergieeffekte schaffen kann. Verbesserungsbedürftig sei aber die Transparenz über die Trägerstrukturen. Zur Sicherung der ärztlichen Unabhängigkeit müsse insbesondere eine mögliche vertikale Konzentration kontrolliert werden. Das ist dann der Fall, wenn etwa ein Medizintechnik-Unternehmen auch Zulieferer für ein MVZ ist oder wenn ein MVZ zu einem Klinikunternehmen gehört.
Kritisch sehen beide Abgeordnete die Entwicklung der Preise für Praxisübernahmen und den Kauf von Vertragsarztsitzen. Private Equity wirke preistreibend, vermutet Kappert- Gonther. Deshalb müssten neue gesetzliche Kriterien für Praxisbewertungen entwickelt werden. Auch Ullmann plädiert für mehr Regulierungsmöglichkeiten und eine stärkere Position der Zulassungsausschüsse, wobei die Höhe des Preises nicht allein maßgeblich den Zuschlag für die Vergabe eines Praxissitzes bestimmen dürfe.
Mindestens ebenso dringend sei es aber, Lösungen für leistungsfähige Versorgungsstrukturen – Schwerpunktpraxen mit Anbindung an Zentren – zu finden, fordert Trümper. Landarztquoten, so Kappert-Gonther und Ullmann, seien „lebensfremd“. Handlungsoptionen seien gezielte Investitionen von Krankenkassen in die regionale Versorgung auf dem Land und die verbindliche Vernetzung von Schwerpunktpraxen mit Zentren einerseits, Hausärzten und Pflegeeinrichtungen auf der anderen Seite.
Vergütung differenzieren
Der zusätzliche Aufwand für notwendige Digitalisierung, Abstimmung und Kooperation müsse in der Vergütung abgebildet werden, so Kappert-Gonther. Dabei sollten Vergütungsniveaus entsprechend dem Bedarf zwischen unterversorgten ländlichen Regionen und Ballungsräumen mit der Tendenz zur Überversorgung deutlich stärker differenziert werden, meint Ullmann.
Beide Gesundheitspolitiker plädieren dafür, beispielsweise mithilfe des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses in ausgesuchten Regionen kooperative Modelle und dafür geeignete sektorübergreifende Vergütungsformen zu entwickeln. Das solle nicht vom Gesetzgeber abschließend vorgegeben werden, so Ullmann.