Psychisch gesund - und dennoch unglücklicher?

Abwesenheit von - psychischer - Krankheit macht allein noch nicht glücklich. Forscher aus Dresden sind unterschiedlichen Glückszuständen nachgegangen.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:

Das Ergebnis überraschte auch die Forscher: Ostdeutsche sind psychisch gesünder als Menschen in den alten Bundesländern. Vor allem bei Alkoholabhängigkeit, Depressionen und sozialen Phobien gibt es gravierende Unterschiede, stellten die Psychologen Dr. Frank Jacobi und Prof. Jürgen Hoyer von der TU Dresden fest.

Mehr als 4000 Bundesbürger im Alter zwischen 18 und 65 Jahren befragten die Forscher 1998, anlässlich des 20. Einheitsjubiläums interpretierten sie ihre Ergebnisse jetzt neu im Sammelband "20 Jahre deutsche Einheit - Facetten einer geteilten Wirklichkeit".

Überrascht zeigten sich die Dresdner Forscher aber auch von einem anderen Ergebnis. Denn trotz besserer psychischer Gesundheit sind die Ostdeutschen weniger zufrieden als Westdeutsche.

32 Prozent der Westdeutschen haben laut der Studie eine psychische Störung, der Wert liegt damit vier Prozentpunkte höher als bei den Landsleuten. Neben Depressionen, Phobien und Alkoholismus sind, wenn auch nicht signifikant, außerdem bei Westdeutschen stärker ausgeprägt: Drogenmissbrauch, Angststörungen, psychotische Störungen, Essstörungen und somatoforme Schmerzstörungen.

Fakten II

Macht der Osten glücklicher?

Macht der Osten glücklicher und der Westen unglücklicher? Eine steile These, aber die Untersuchungen der Forscherteams um Professor Cornelia Albani, Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, lassen den Schluss zu. 2005 wurden an der Universität Leipzig 400 sogenannte Binnenmigranten nach ihrem seelischen Wohlbefinden gefragt, jene, die von Ost nach West migrierten, und jene, die dies in umgekehrte Richtung taten. Der Befund ist eindeutig. Migranten, die in den Westen gingen, waren im Schnitt häufiger depressiv, als jene, die in den Osten auswanderten. Zudem waren die heimatverbundenen Ostdeutschen glücklicher als die verwurzelten Westdeutschen. Am wenigsten depressiv waren in der Untersuchung westdeutsche männliche Ost-Migranten, am unglücklichsten Westfrauen, die blieben. Im gleichen Maße depressiv wurden nur Ostfrauen, die in den Westen auswanderten. Vermutung der Forscher: Im Osten gibt es mehr soziale Unterstützung als im Westen.

Ost-West-Unterschiede sind besonders stark bei den älteren Befragten ausgeprägt. Ist auch Alkoholabhängigkeit im Osten nur halb so häufig wie im Westen festgestellt worden, gibt es doch eine Gemeinsamkeit. Je jünger die Befragten in ganz Deutschland, desto häufiger neigen sie zur Abhängigkeit.

Im Osten bei den 18- bis 34-Jährigen knapp drei Prozent, im Westen sechs Prozent. Bei den 50- bis 65-Jährigen waren in West wie Ost dreimal weniger Menschen betroffen.

Bei Depressionen hingegen gab es den umgekehrten Trend. Knapp sieben Prozent der jungen Ostdeutschen waren betroffen, hingegen über zwölf Prozent der älteren Westdeutschen.

Die Dresdner Forscher fragten auch danach, wie zufrieden die Menschen mit ihren Lebensumständen sind, zum Beispiel mit der Arbeitssituation, dem Wohnort und der finanziellen Lage.

Hier hatten die Ostdeutschen schlechtere Werte, "nicht stark ausgeprägt, aber dennoch statistisch signifikant". Die Werte könnten "gut auf das objektiv vorhandene ökonomische Ungleichgewicht zurückgeführt werden", heißt es.

Dem Schluss, Ostdeutschland sei durch weniger psychisch belastete Menschen auch nicht so sehr von Therapeuten-Unterversorgung betroffen, widersprechen die Forscher vehement. Im Gegenteil sei "die markante Unterversorgung der Bevölkerung in den neuen Ländern noch ausgeprägter als im Westen". So würden im Westen 38 Prozent aller Erkrankten behandelt.

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