Neues Gesetz geplant

Regierung will faire Kassen-Wahl

Bundesgesundheitsminister Spahn wünscht mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Mit einem neuen Gesetz will er das AOK-System umkrempeln. Und der Risikostrukturausgleich soll deutlich mehr Krankheiten enthalten.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Würfel sind gefallen: Minister Spahn will mehr Wettbewerb. © [M] magele-picture / stock.adobe.com

Die Würfel sind gefallen: Minister Spahn will mehr Wettbewerb. © [M] magele-picture / stock.adobe.com

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BERLIN. Die Reform des Finanzausgleichs der Kassen untereinander ist auf dem Weg. Mit einer ganzen Reihe von einschneidenden Veränderungen soll der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen neu aufgestellt und stärker auf Versorgungsinhalte konzentriert werden.

So plant die Regierung ausweislich des am Montag versandten Referentenentwurfs eines „Faire-Kassenwahl-Gesetzes“, bislang nur regional aktive Krankenkassen künftig bundesweit zu öffnen.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass von den zehn größten Kassen nur vier tatsächlich allen Versicherten zugänglich seien, hieß es dazu aus Regierungskreisen. Betroffen wären vor allem die AOKen, aber auch Betriebs- und Innungskrankenkassen, aber keine geschlossenen Kassen.

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Bürger sollen leichter wechseln können

Mit dem Schritt sollen die Wahlrechte der Versicherten gestärkt werden. Kassen, die aufgrund der Vorteile aus unterdurchschnittlichen regionalen Ausgabenstrukturen günstige Zusatzbeiträge anbieten könnten, sollen für alle gesetzlich Versicherte zugänglich werden. Zudem sollen alle Kassen füreinander haften. Bislang ist die Haftung im ersten Schritt auf die jeweilige Kassenart beschränkt.

Unternehmen aus unterschiedlichen Kassenarten sollen leichter fusionieren können. Eine weitere Motivation für diesen Punkt dürfte die Vereinheitlichung der Kassenaufsicht beim Bundesversicherungsamt sein. Die Länder übten die Aufsicht über die Regionalkassen unterschiedlich intensiv aus, argumentiert die Regierung.

AOK-Chef kritisiert

Die erste Reaktion von AOK-Bundesverbands-Chef Martin Litsch fiel ungehalten aus. „Weder erhalten Kassen mehr regionale Gestaltungsspielräume für gute Verträge mit Ärzten und Kliniken, noch werden gezielte Anreize zur qualitativ besseren Versorgung im Finanzausgleich gesetzt“, sagte Litsch am Montag der „Ärzte Zeitung“.

Stattdessen herrschten Zentralismus und Gleichmacherei. Dies habe mit Wettbewerb im Sinne einer qualitativ guten und effizienten Versorgung wenig zu tun, so Litsch.

Aus dem Lager der Ersatzkassen kamen teils zustimmende Reaktionen. Die Einführung einer Regionalkomponente sorge dafür, dass das Geld dorthin fließe, wo es für die Versorgung benötigt werde, kommentierte die Barmer die Regierungspläne.

Die geplante Einführung des Vollmodells stieß allerdings auf Kritik. Mehr Krankheiten bedeuteten auch mehr Manipulationsmöglichkeiten, hieß es bei der Techniker Krankenkasse.

"Typischer Spahn"

Als "gezielte Provokation" bezeichnete die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen, Maria Klein-Schmeink die Ankündigung, die AOKen bundesweit zu öffnen.

Es sei fraglich, ob dies am Ende wirklich so kommen werde. Bedenklich sei, dass Spahns Entwurf offenbar keine echte Reform der Aufsicht über die Krankenkassen vorsehe, sondern nur auf Zentralisierung setze, sagte Klein-Schmeink.

Als "typischen Spahn" bezeichnete BKK-Dachverbands-Chef Franz Knieps die Pläne aus dem Gesundheitsministerium. Was er vorlege, stehe so nicht im Koalitionsvertrag.

Knieps räumte ein, dass die Expertise des Bundesversicherungsamtes in Sachen Kassenaufsicht höher einzuschätzen sei als die in manchen Ländern. Dort hänge die Qualität davon ab, wie professionell die Aufsichtsstrukturen noch seien.

Tatsächlich sind die Aufsichtsstrukturen auch in großen Ländern im Wandel. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat sein Landesversicherungsamt vor Jahren aufgelöst. Die Aufgaben werden nun vom Sozialministerium wahrgenommen.

"Eine faire Wettbewerbsordnung" als Ziel liest die Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen, Ulrike Elsner, aus dem Entwurf heraus.

Eine bundesweite Öffnung der Kassen und eine einheitliche Aufsicht schafften einen einheitlichen Ordnungsrahmen für die gesetzliche Krankenversicherung. "Bei der Weiterentwicklung des RSA ist die Einführung einer Regionalkomponente das Herzstück der Reform", sagte Elsner.

RSA-Reform ist Kernstück

So geht’s weiter mit der RSA-Reform

  • Der Entwurf des „Faire-Kassenwahl-Gesetzes“ ist am Montag dem Kabinett und den Verbänden zur Abstimmung vorgelegt worden.
  • Ein Kabinettsentwurf soll bis zur Sommerpause vorliegen.
  • In Kraft treten soll das Gesetz möglichst noch in diesem Jahr.
  • Finanzwirkung bei den Kassen könnten die Regelungen dann ab dem Jahr 2021 haben.

Kern des Gesetzentwurfs ist die Reform des Risikostrukturausgleichs (RSA). Grundlage bilden die verschiedenen Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt, die in den zurückliegenden Jahren dazu veröffentlicht worden sind. Ein Überblick der geplanten Änderungen:

  • Einführung Vollmodell: Statt der bisher 80 jährlich neu festgelegten Krankheiten sollen künftig alle 360 kodierbaren Krankheiten in den Ausgleich einbezogen werden.
  • Regionalkomponente: Regionale Unterschiede, etwa der Anteil ambulant Pflegebedürftigen, sollen in die Berechnungen einbezogen werden.
  • Risikopool: Für die Behandlung von Menschen mit schweren Erkrankungen, deren Jahrestherapiekosten 100.000 Euro übersteigen soll ein Risikopool eingeführt werden. 80 Prozent der Kosten sollen daraus finanziert werden.
  • RSA-Manipulationen: Hohe Steigerungsraten bei Diagnosen, Upcoding, sollen erschwert werden. Steigen die Diagnosen für bestimmte Morbiditätsgruppen auffällig, sollen sie aus dem Finanzausgleich fallen.
  • Prävention: Ausgaben der Kassen für Vorsorgeuntersuchungen sollen mit einer im RSA anrechenbaren Vorsorgepauschale belohnt werden.

Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands soll professionalisiert werden. Ihm sollen künftig nurmehr Vorstände der Mitgliedskassen angehören.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 25.03.2019 um 17:41 Uhr.

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