Risiko und Impfung
Rheumatologen sehen bei Corona immer klarer
Rheuma und Corona: Nach über zwei Jahren Pandemie hat sich das Bild geklärt. Schwere COVID-Verläufe sind nicht zwangsläufig – Impfungen lösen in der Regel keine Schübe aus und gehen ohne Therapiepausen, berichten Rheumatologen.
Veröffentlicht:Berlin. Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie werten die Rheumatologen in Deutschland alle Erkenntnisse aus, die sie vor allem dank eines schon im März 2020 etablierten Online-Registers gewinnen.
Was die Ärzte und Ärztinnen nach zweieinhalb Jahren COVID-Pandemie gelernt haben und für Rheuma-Patienten „bedeutsam“ ist, berichtete Professor Christof Specker auf einer Vorab-Pressekonferenz zum Deutschen Rheumatologiekongress, der ab 30. August in Berlin stattfindet.
Vier wesentliche Botschaften hatte der Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte im Gepäck:
- Corona-Risiko: Allein das Vorliegen einer rheumatischen Erkrankung bedeute nicht, dass Patienten ein eindeutiges Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 oder aber für einen schweren Verlauf haben. „Rheumapatienten sind nicht grundsätzlich gefährdet, wie es von der STIKO holzschnittartig gesagt wird“, so Specker. Jeder Einzelfall müsse für sich betrachtet werden. Alter und Vorerkrankungen spielten wie bei anderen Menschen auch eine Rolle. Bestimmte Medikamente können, zum Teil dosisabhängig, das Risiko erhöhen. Keinesfalls sei es aber ratsam, aus Angst vor Corona eine Medikation zu reduzieren oder auszusetzen. Denn Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Krankheitsaktivität einer (entzündlich-)rheumatischen Erkrankung einen relevanten Risikofaktor für COVID-19 darstellt.
- Impfen: „Rheumapatienten sollten sich tunlichst impfen lassen“, sagte Specker. Denn die Angst, durch Impfungen einen Schub rheumatischer Erkrankungen auszulösen, sei unbegründet, auch im Hinblick auf die neuen mRNA-Impfstoffe. In 90 Prozent der bisher beobachteten Fälle sei die Erkrankung von der Immunisierung unbeeinflusst geblieben. Zu richtigen „Schüben“, die zudem mit einer Therapieanpassung schnell beherrschbar seien, komme es bei deutlich weniger als einem Prozent der Coronaimpfungen bei Rheumapatienten.
- Immunantwort der Impfung: Diese hänge vom Alter der Patienten und den Medikamenten ab. So unterdrücke Cortison die Impfantwort nur in mittleren und hohen Dosierungen, Methotrexat nur gering und eher altersabhängig. Mit der Einnahme von Medikamenten zu pausieren sei nur ratsam, wenn Patienten in einer sehr stabilen Phase seien und nicht durch die Therapiepause Gefahr liefen, einen Schub zu riskieren.
- Booster-Impfungen: Auch unter Medikamenten, die den Impferfolg direkt nicht beeinträchtigen, wurde bei Rheumapatienten ein schneller Abfall der Impftiter festgestellt. Hierbei sei aber nicht klar, ob die Höhe des Impftiters eine verlässliche Aussage zum Impfschutz erlaubt. Deshalb sei für Rheumapatienten die Booster-Impfung wichtig, da hier eine besonders deutliche Impfantwort festzustellen sei. Und die vierte Impfung? Hier gelten die Empfehlungen der STIKO auch für Rheumapatienten. „Wir empfeheln sie nach sechs Monaten oder bei Patienten mit relevanter Immusuppression auch nach vier Monaten“, so Specker. In speziellen Situationen etwa bei angeborennen Immundefekten, seien besondere immunologische Kenntnisse erforderlich, um festzulegen, ob und wann eine Impfung sinnvoll sei, betonte Specker. (juk)