Studie

Rolle des Hausarztes muss aufgewertet werden

Die hausarztzentrierte Versorgung weist in die richtige Richtung. Ihr Ziel aber hat sie in Deutschland noch nicht erreicht. Auch das zeigt die jüngst diskutierte Studie der Uni Magdeburg.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Häufiger Grund für den Patientenkontakt in Deutschland ist der Wunsch nach einer Krankschreibung; in Norwegen liegt der Fokus der Hausärzte eher auf der Betreuung chronisch Kranker.

Häufiger Grund für den Patientenkontakt in Deutschland ist der Wunsch nach einer Krankschreibung; in Norwegen liegt der Fokus der Hausärzte eher auf der Betreuung chronisch Kranker.

© Rose

MAGDEBURG. In die Schlagzeilen geraten war die von Dr. Wolfram Herrmann vom Institut für Allgemeinmedizin der Universität Magdeburg geleitete Studie, weil sie eine Diskussion zur Reform von Krankschreibungen anregte.

Bis zu fünf Tage sollten sich deutsche Beschäftigte demnach selbst krankmelden dürfen - nach norwegischem Beispiel.

Ausgangspunkt der Überlegungen des Forschungsteams um Herrmann war die hohe Differenz in der Anzahl der Arztbesuche: 17,1 absolvieren die Deutschen durchschnittlich pro Jahr, Norweger gerade einmal fünf.

Die Frage, ob eine Lockerung der AU-Regelung helfen könnte, die hohe Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte hierzulande zu senken, lag damit nahe.

Herrmann jedoch konzentrierte sich bei der Vorstellung der Studienergebnisse nun eher auf die wesentlichen Unterschiede in der qualitativen Inanspruchnahme der Hausärzte.

Nur Problemlöser der einfachen Erkrankung?

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Während Norweger den Hausarzt als kompetenten, erklärenden Allgemeinarzt wahrnehmen, wird er in Deutschland häufig als Koordinator zwischen anderen Spezialisten und Problemlöser der einfacheren Erkrankungen gesehen.

In Praxis: Der norwegische Hausarzt behandelt überwiegend chronisch Kranke. Hierzulande sind Krankschreibungen, überwiegend wegen sogenannter Bagatellerkrankungen, ein häufiger Beratungsanlass.

"Der Stellenwert des deutschen Hausarztes muss aufgewertet werden", folgert Herrmann. "Das ist ein langfristiger Prozess, der in Forschung, Studium und der Weiterbildung greifen muss."

Unabhängig von der Wahl ihrer Fachrichtung sollten angehende Mediziner bereits während des Studiums Erfahrungen in Hausarztpraxen sammeln können.

In Norwegen ist man da schon viel weiter. An der Uni Bergen hat Professor Anders Bærheim, Kooperationspartner der Studie, ein Projekt zur interdisziplinären Ausbildung in der Versorgung von Pflegeheimbewohnern etabliert.

Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen - Medizin, Pflege, Ökotrophologie, Physiotherapie und andere - könnten hier gemeinsame Behandlungspläne erstellen.

Viele Probleme hierzulande, das ergab die kontroverse Diskussion im Anschluss an die Vorstellung der Studie, lägen in der Organisation des Gesundheitswesens.

"Uns wäre viel geholfen", so Andreas Petri, lange Hausärzte-Chef in Sachsen-Anhalt, "wenn sich jeder Patient bei einem Hausarzt seiner Wahl einschreiben müsste."

Beanspruchung der Fachärzte steuern

Nach Abschaffung der Praxisgebühr gelte es wieder, mühsam herauszufinden, welche Fachärzte die Patienten im Quartal bereits aufgesucht haben.

Eine solche Festlegung aber wird es nach Ansicht von Dr. Manfred Partsch vom GKV-Spitzenverband zumindest in absehbarer Zeit nicht geben.

"Die Fachärzte lehnen ein Primärarztsystem ab und auch die Politik ist nicht bereit, es verbindlich vorzugeben."

Dabei spräche laut Professor Thomas Lichte vom Institut für Allgemeinmedizin an der Uni Magdeburg vieles dafür.

Er brach eine Lanze für die hausarztzentrierte Versorgung vor allem in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Patienten fühlten sich nicht nur besser versorgt, sie seien es auch.

Das lasse sich unter anderem an der deutlichen Verringerung der Notfalleinweisungen ablesen.

Ein Gedanke, den auch Dr. Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln unterstützte: "In Deutschland muss vorrangig die Beanspruchung der Fachärzte gesteuert werden."

Gleichzeitig warnte er vor arbeitsrechtlichen Aspekten der "eigenen" Krankschreibung: "Der Krankenschein schützt nämlich auch vor möglichen Regressen", sagte er und ergänzte: "Die Mediziner sollten sich nicht für eine Debatte instrumentalisieren lassen, die sie nicht führen müssen."

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