Marburger Bund fordert

Schluss mit den 24-Stunden-Schichten

Gehälter rauf, Bereitschaftsdienste runter: Der Marburger Bund setzt auch in der neuen Tarifrunde für Ärzte an kommunalen Kliniken auf eine Doppelstrategie. Die Arbeitgeber winken ab. 460 Millionen Euro mehr seien "nicht darstellbar".

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Was überrascht diesen Arzt? Vielleicht eine hohe Zahl von Bereitschaftsdiensten im Dienstplan.

Was überrascht diesen Arzt? Vielleicht eine hohe Zahl von Bereitschaftsdiensten im Dienstplan.

© YourNikonMan /iStock/ Thinkstock

BERLIN. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund geht auf die Generation Y zu. Ärzte an kommunalen Krankenhäusern sollen künftig weniger Bereitschaftsdienste schieben müssen. Höchstens zwei Wochenenden im Monat sollen die Ärzte noch arbeiten müssen.

Die verbleibenden sollen verlässlich frei sein, um sie zum Beispiel mit der Familie verbringen zu können.

"Das Verhältnis zwischen Arbeitsleistung und Erholung muss endlich besser werden", eröffnete MB-Chef Rudolf Henke am Mittwoch in Berlin die Tarifrunde 2014/2015 für Ärzte an kommunalen Krankenhäusern.

Zusätzlich zu einer Verringerung der Zahl der Bereitschaftsdienste der rund 55.000 Ärzte an den bundesweit rund 600 kommunalen Krankenhäusern strebt der Marburger Bund eine lineare Erhöhung der Ärztegehälter um 5,4 Prozent sowie höhere Entgelte für die Bereitschaftsdienste ab Dezember 2014 an.

Arbeitgeber sagen Nein

Der Verband der kommunalen Arbeitgeber hat die Forderungen der Ärzte umgehend "in Höhe und Struktur" zurückgewiesen. Der tarifpolitische Dachverband der kommunalen Krankenhäuser rechnet die sich aus den MB-Forderungen ergebenden Mehrbelastungen auf 460 Millionen Euro im Jahr hoch.

Dies würde eine Erhöhung der Ärztevergütung von neun Prozent bedeuten. "Das ist nicht darstellbar", sagte VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann am Mittwoch. Fast jedes zweite Krankenhaus schreibe rote Zahlen.

"In einer solchen Situation können wir nicht für eine Berufsgruppe überdurchschnittliche Lohnerhöhungen vereinbaren", sagte Hoffmann.

Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber forderte vom MB mehr Verlässlichkeit ein. Es sei nicht akzeptabel, wenn nach jeder Tarifrunde die Schichtpläne und Arbeitszeiten in den Abteilungen neu organisiert werden müssten, sagte Hoffmann.

Er wies darauf hin, dass die Ärzte bereits bei der Tarifrunde Anfang 2013 eine Gehaltssteigerung von 4,6 Prozent erzielt hätten.

Henke hielt dagegen, dass die Ausgaben der Kliniken für Behandlungen seit 2007 im Schnitt um 3,4 Prozent im Jahr gestiegen seien, die Gehälter der Ärzte jedoch nur um 2,2 Prozent im Jahr.

Die Krankenhäuser seien defizitär, weil die Länder ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachkämen. "Wir stehen nicht mit den Gehältern der Ärzte bereit, um dieses Problem zu lösen", sagte Henke.

Meist mehr als vier Bereitschaftsdienste im Monat

Die Hälfte der Ärzte an den kommunalen Kliniken leiste mehr als vier Bereitschaftsdienste im Monat, mit denen der 24-Stunden-Betrieb der Kliniken sichergestellt werde, berichtete Henke. Das Arbeiten in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen mache krank.

Fast drei von vier Klinikärzten klagten bei einer Umfrage des MB im Jahr 2013 über Schlafstörungen und häufige Müdigkeit. Ein Drittel der mehr als 1000 befragten Ärzte gab an, Probleme damit zu haben, im Alltag wach zu bleiben.

Schon aus Qualitätsgründen poche der Marburger Bund daher auf eine deutliche Entlastung der Ärzte von 24-Stunden-Diensten, sagte Henke.

Zusätzliche Aufgaben für die Krankenhäuser in der ambulanten Versorgung, wie sie die große Koalition plane, seien nur von Krankenhäusern zu leisten, die großzügigere Personalschlüssel hätten. "Mit dem Standard werden wir die ambulanten Aufgaben, die da angedacht sind, nicht bewältigen können", sagte Henke.

Die Regierung plant eine stärkere Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung, zum Beispiel als Ausweichmöglichkeit für Patienten, die beim Facharzt keinen Termin binnen vier Wochen bekommen können.

Zur ersten Verhandlungsrunde wollen sich die Tarifpartner am 18. Dezember in Düsseldorf treffen. Der MB strebt eine Laufzeit des angestrebten Tarifvertrages von einem Jahr an.

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