Müde und krank
Arbeitszeiten machen Klinikärzten zu schaffen
Drei von vier Ärzten im Krankenhaus arbeiten mehr als 48 Stunden pro Woche. Das macht viele krank, offenbart eine Umfrage des Marburger Bundes.
Veröffentlicht:BERLIN. "Arbeitszeiten an deutschen Kliniken sind ungesund", warnt der Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Rudolf Henke, am Montag in Berlin.
So gaben sieben von zehn Klinikärzten an, dass lange Arbeitszeiten und eine hohe Arbeitsdichte sich zulasten ihrer Gesundheit auswirken, etwa durch Schlafstörungen oder häufige Müdigkeit.
Das geht aus der Umfrage "MB-Monitor 2013" unter rund 3300 Assistenz-, Fach-, Ober- und Chefärzten hervor.
Demnach arbeiten drei Viertel der Ärzte mehr als 48 Stunden pro Woche. Mit Überstunden und Bereitschaftsdiensten liegt die durchschnittliche Arbeitszeit von 47 Prozent der Befragten zwischen 49 und 59 Stunden wöchentlich, bei knapp einem Viertel (24 Prozent) sogar zwischen 60 und 79 Stunden.
Jeder vierte Arzt könne also die tarifliche Höchstarbeitszeitgrenze nicht einhalten, so der MB.
Mittlere wöchentliche Arbeitszeit sinkt auf 58 Stunden
Die Verringerung der mittleren wöchentlichen Arbeitszeit von 60 auf 58 Stunden sei dennoch positiv als "erster Schritt" zu sehen, kommentierte Henke die Ergebnisse der Tarifverhandlungen für Ärzte an kommunalen Kliniken. Ursprünglich hatte der MB eine Begrenzung auf 48 Stunden gefordert.
"Der Ausgleichzeitraum wurde von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt", ergänzte Christian Twardy, stellvertretender Geschäftsführer des MB. Dies sei eine deutliche Verbesserung, da Ärzte Überstunden nun schneller abbauen könnten.
Für Überstunden gibt es oft keinen Ausgleich
Kritisch beurteilt der MB jedoch, dass bei mehr als der Hälfte der Klinikärzte (53 Prozent) nicht alle Arbeitszeiten erfasst werden. So bekommt laut MB-Monitor jeder fünfte Arzt weder seine Überstunden vergütet, noch kann er sie mit Freizeit ausgleichen.
Umgerechnet auf die 140.000 in Vollzeit tätigen Krankenhausärzte bedeute dies, dass 30.000 Ärzte ihre Überstunden nicht entlohnt bekämen.
"Das hat System", betonte Henke, "indem Arbeitszeiten nicht systematisch erfasst werden, entgehen Klinikträger der Debatte um Überstunden und die Anstellung von mehr Personal."
So würden durch nicht bezahlte Überstunden Krankenhäuser mit 400 Millionen Euro pro Jahr subventioniert.
12.000 Arztstellen in Krankenhäusern unbesetzt
Wolle man Ärzte entlasten, komme man an besseren Arbeitszeitmodellen und Einstellungen nicht vorbei, so der MB-Chef. Derzeit sind rund 12.000 Arztstellen an deutschen Kliniken unbesetzt, es würden aber bis zu 20.000 Ärzte mehr gebraucht, schätzte Henke.
Auch ausländische Ärzte brächten keine Entlastung, bisher wanderten immer noch mehr Ärzte ab als zu, sagte er. Angesichts rund 22.000 ausländischer Ärzte in deutschen Kliniken plädiert er für einheitliche Sprachprüfungen.
Derzeit sei die Qualität der Prüfungen sehr unterschiedlich: Es gebe Zertifikate aus dem Herkunftsland oder vom Goethe-Institut genauso wie Prüfungsgespräche in den Bezirksregierungen.
"Wir heißen ausländische Ärzte willkommen. Aber die Voraussetzungen müssen klar sein. Ärzte müssen neben den allgemeinen Sprachkenntnissen auch die Fachsprache beherrschen - also sprechen, verstehen, Diagnosen aufschreiben und wissenschaftlich diskutieren können", forderte Henke.
Sonst leide darunter das Gespräch mit Patienten und Kollegen. An der fachlichen Qualifikation sei meist nichts zu bemängeln.
Anerkennungsgesetz seit einem Jahr in Kraft
Zu mehr Transparenz könnte auch das sogenannte Anerkennungsgesetz beitragen, wonach über die Gleichwertigkeit ausländischer mit deutschen Abschlüssen schneller beschlossen werden soll.
Das Gesetz ist etwa seit einem Jahr in Kraft, Gesundheitsberufe sind bisher aber davon ausgenommen. Denn das Bundesgesundheitsministerium muss die Anforderungen an Gleichwertigkeitsprüfungen noch in einer Verordnung festlegen.
"Ich rechne aber damit, dass Gesundheitsminister Bahr die Verordnung in den nächsten Wochen vorlegt", sagte MB-Vorsitzender Henke, der auch Mitglied der CDU im Bundestag ist. (jvb)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar: Leiden am Klinikalltag