Brief an Gröhe
Schmerzmediziner äußern ihre Schmerzen
Die Selbstverwaltung hat versagt, jetzt soll der Gesundheitsminister die Versorgung von chronischen Schmerzpatienten sicherstellen: So sieht es die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin - und schickt Hermann Gröhe einen Forderungskatalog.
Veröffentlicht:FRANKFURT. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) mahnt bei Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine bessere schmerzmedizinische Versorgung an.
Zum Auftakt des Deutschen Schmerz- und Palliativtags am Mittwoch in Frankfurt stellte DGS-Präsident Gerhard Müller-Schwefe einen offenen Brief an Gröhe vor, in dem dringend eine Bedarfsplanung für schmerzmedizinisch tätige Ärzte angemahnt wird.
Darüber hinaus wird der Minister aufgefordert, zeitnah die Medikamentenausnahmeliste zum Austausch von Opioiden umzusetzen.
Mittelfristig müsse auch der Facharzt für Schmerzmedizin eingeführt werden - ein seit langem formuliertes Ziel der DGS, für das die Organisation bisher allerdings nur wenige Bündnispartner gefunden hat.
Kapazitäten reichen nicht aus
In Deutschland litten 15 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen, sagte Müller-Schwefe. Bisher scheitere die Behandlung der Patienten daran, dass komplexe Schmerzen von verschiedenen Fachärzten behandelt werden müssten. Deren Kapazitäten reichten aber für die Vielzahl der Patienten nicht aus. "Es gibt einen Bedarf an 5500 bis 6000 Schmerzmedizinern."
Es sei die Pflicht des Gesundheitsministers, die Versorgung sicherzustellen. "Die Politik muss regeln, was die Selbstverwaltung nicht regeln kann", sagte Müller-Schwefe.
"Chronische Schmerzen müssen als eigenständige Erkrankung diagnostiziert und therapiert werden", fordert die DGS, dazu sei es nötig, universitäre Lehrinhalte zu entwickeln und in der Weiterbildungsordnung umzusetzen.
Die Fachgesellschaft kann im 30. Jahr ihres Bestehens durchaus Erfolge verbuchen, sieht sich aber weiter vor großen Herausforderungen. Inzwischen wird der Fokus nicht mehr ausschließlich auf die Vermittlung von schmerzmedizinischer Kompetenz für Ärzte gerichtet.
Die DGS bietet auch Fortbildungen für Apotheker und Physiotherapeuten an. "Insbesondere Apotheker sind häufig die erste Anlaufstelle für Patienten mit chronischen Schmerzen", so Müller-Schwefe.
Zwei Praxisleitlinien sind abgeschlossen
Als Orientierung für Ärzte im Alltag hat die DGS inzwischen auch Praxisleitlinien entwickelt - mit Empfehlungen für verschiedene Indikationen in der Schmerzmedizin.
Bisher konnten zwei Leitlinien abgeschlossen werden - zum Tumorschmerz, und zu Tumorbedingten Durchbruchschmerzen, zwei weitere (Kreuzschmerz und Kopfschmerz) sind in Arbeit.
Dr. Michael Überall, Präsident der Patientenorganisation Deutsche Schmerzliga und zugleich DGS-Vize, warnte bei der Veranstaltung davor, die Bedeutung von Leitlinien überzubewerten. "Durch die Zahl der Leitlinien wird die Zahl der chronischen Schmerzpatienten nicht weniger", so Überall.
"Wir müssen aufhören, Menschen als die Summe ihrer Organe und Patienten als die Summe ihrer Fehlfunktionen zu definieren", kritisierte er. "Wir müssen zurückkommen zu einem Selbstverständnis, in dem der Mensch als individuelle Persönlichkeit wahrgenommen wird, und nicht als eine Maschine in einem Industriekomplex Medizin."
Große Bandbreite an Vorträgen und Symposien
Im Programm für den Deutschen Schmerztag finden sich Vorträge und Symposien zu einer großen Bandbreite unterschiedlicher Schmerztherapien, angefangen von der klassischen medikamentösen Therapie über Naturheilverfahren bis hin zu psychologischen Beratungen.
Der Kongress dauert bis zum 22 . März. Veranstalter sind neben der DGS die Deutsche Schmerzliga, die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Palliativversorgung und das Institut für Qualitätssicherung in Schmerztherapie und Palliativmedizin.