Landärztegesetz im Rückblick

Schon 2012 der Plan: Ärzte mit Geld aufs Land locken

Hohe Erwartungen, am Ende eine derbe Enttäuschung: Das „Landärztegesetz“, das am 1. Januar 2013 in Kraft tritt, bleibt weitgehend unwirksam. Oft löst das Geld alleine anscheinend nicht das Problem.

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Landarzt geht — auf den Acker. 2012 wurde versucht, mit dem "Landärztegesetz" wieder mehr Ärzte für Arbeit in ländlichen Regionen zu begeistern (Symbolbild mit Fotomodell).

Ein Landarzt geht – ins Feld. 2012 wurde versucht, mit dem „Landärztegesetz“ wieder mehr Ärzte für Arbeit in ländlichen Regionen zu begeistern (Symbolbild mit Fotomodell).

© Ulrich Baumgarten / picture alliance

Trotz Liberalisierung der Berufsausübungsmöglichkeiten durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz von 2006 und der weitgehenden Morbiditätsorientierung der Honorarentwicklung seit 2009 zeigen sich wachsende Ungleichgewichte in der ärztlichen Versorgung: ein Überangebot in attraktiven Städten und Ballungsregionen und wachsende Unterversorgung in ländlichen und strukturschwachen Räumen.

Mangel an Ärzten wird zum dringlichen Problem

Ärztemangel wird ebenfalls immer besorgniserregender in den sozialen Brennpunkten großer Städte wie Berlin, wo es Mediziner und Psychotherapeuten vorzugsweise in den wohlhabenden Südwesten der Hauptstadt zieht. Seit Mai 2011 Daniel Bahr Bundesgesundheitsminister und Nachfolger von Philipp Rösler, der als neuer FDP-Parteichef und Vize-Kanzler ins Bundeswirtschaftsministerium gewechselt ist.

Anders als Rösler hat Bahr zehn Jahre Erfahrung in der Gesundheitspolitik als Abgeordneter, Mitglied des Gesundheitsausschusses und Parlamentarischer Staatssekretär. Aber auch für ihn gilt das liberale Credo, wonach Anreize und Preise die entscheidende Steuerungsfunktion im Gesundheitswesen hat.

Genau das ist das Paradigma des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes, mit dem Bahr mehr Ärzte aufs Land locken möchte. Verabschiedet wurde das Gesetz im Dezember 2011, am 1. Januar 2012 trat es in Kraft. Das Gesetz enthielt diese Kernelemente:

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In unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen, insbesondere wurden Honorarbegrenzungen, etwa bei den Fallzahlen je Praxis oder Vertragsarzt aufgehoben werden. Ein unbedingt notwendiger Schritt, um steigende Patientenzahlen zu versorgen, was nicht selten dann der Fall war, wenn ein benachbarter Kollege in den Ruhestand wechselte. Allerdings bedeutete das auch deutlich mehr Arbeit und Stress – nicht gerade das, was sich junge Kollegen als ihre zukünftige Berufswelt ausgemalt hatten.

Tschüss Residenzpflicht, hallo Stress

Die Residenzpflicht für Vertragsärzte wurde aufgehoben. Damit war es möglich, in der Stadt zu leben und auf dem Land zu arbeiten – freilich um den Preis weiter zeit- und kostenintensiver Wege zur Arbeit. Die Berufsplanung wurde flexibilisiert, Krankenhäuser sollten in die ambulante Versorgung einbezogen werden. Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung für Patienten mit schweren Erkrankungen und komplexen Verlauf geht an den Start.

Das Bundesgesundheitsministerium rechnete damals mit Mehrkosten von 200 Millionen Euro, insbesondere für zusätzliche Honorare der Ärzte. Die AOK befürchtete einen Kostenschub von zwei Milliarden Euro und hielt das Gesetz für weitgehend unwirksam.

Jedenfalls zeigte sich, dass das Gesetz die tatsächlichen Präferenzen des ärztlichen Nachwuchses unbeachtet gelassen hatte: Wie eine Umfrage des Hartmannbundes unter jungen Ärzten ergab, hat eine gute Work-Life-Balance eine besonders hohe Priorität. Die Bereitschaft, Verantwortung für eine eigene Praxis zu übernehmen ist gering ausgeprägt.

Die Einzelpraxis ist ein Auslaufmodell. Es besteht eine starke Neigung zur Arbeit im Angestelltenverhältnis mit kalkulierbaren Arbeitszeiten – und angesichts eines wachsenden Frauenanteils unter den jungen Ärzten ein starker Bedarf an Teilzeit-Jobs. Nicht einmal zehn Prozent der Ärzte streben danach, dauerhaft auf dem Land zu arbeiten, allerdings können sich zwei Drittel vorstellen, zumindest einige Jahre als „Dorfarzt“ zu verbringen.

Mehr Geld löst das Problem nicht

Das Gesetz zeigte ein Dilemma, das bis heute nicht gelöst ist: Finanzierbare ökonomische Anreize sind weitgehend unwirksam. Viel ausschlaggebender sind nicht monetäre Aspekte für ihre Entscheidung, wo sie arbeiten wollen: berufliche Möglichkeiten für den Partner, das Schulangebot für Kinder, kulturelle und soziale Infrastruktur einer Region. Ob sich gesundheitspolitische Ziele realisieren lassen, hängt somit auch vom Erfolg der regionalen Infrastrukturpolitik ab – bis in den einzelnen Stadtteil. (HL)
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