Versorgungsverbesserungsgesetz
Selektivverträge: KVen wollen nicht draußen vor der Tür bleiben
Der Entwurf des Versorgungsverbesserungsgesetzes erweitert die Optionen in Selektivverträgen. Die Kassen befürworten dies im Grundsatz, die KBV sieht sich ins Abseits gedrängt.
Veröffentlicht:Berlin. Die geplanten erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten für Selektivverträge stoßen bei den Krankenkassen auf Zustimmung. Das Bundesgesundheitsministerium sieht im Referentenentwurf des Versorgungsverbesserungsgesetzes (GPVG) vor, dass Krankenkassen Selektivverträge auch gemeinsam schließen oder bestehenden Vereinbarungen beitreten können. Auch sollen künftig nicht-ärztliche Leistungserbringer mit ins Boot genommen werden können.
Nicht möglich sein sollen laut Entwurf landes- oder kassenartbezogene Kollektivverträge zwischen den Landesverbänden der Kassen und den KVen. Derartige kollektive Abweichungen von der bundeseinheitlichen Regelversorgung könnten nicht Gegenstand von Selektivverträgen sein, heißt es zur Begründung im Entwurf.
„Systemfremde“ Körperschaften?
Diese „Systemfremdheit“ von Verträgen, an denen eine KV beteiligt ist, erscheint der KBV in ihrer Stellungnahme „dogmatisch und nicht mehr zeitgemäß“. Denn Systemverbesserungen sollten möglichst allen Versicherten zugänglich werden, argumentiert sie.
Am Dienstag, 1. September, hat das BMG zur Verbändeanhörung des Entwurfs eingeladen. In den Stellungnahmen begrüßen AOK und vdek, dass regionale Versorgungsinhalte ausdrücklich als Vertragsgegenstand aufgenommen werden können.
Doch die Zustimmung endet, wenn es um sogenannte Altverträge nach den Paragrafen 73a, 73c und 140a geht, die bis 22. Juli 2015 geschlossen wurden. Sie gelten bislang fort, sollen aber nun in die neue Rechtsnorm überführt werden. Kassen wie der AOK-Bundesverband warnen: Dies führe bei den Vertragspartnern zu „vermeidbarem bürokratischen Aufwand ohne nennenswerten Mehrwert“.
Ähnlich argumentieren die Ersatzkassen: Müssten die Verträge neu verhandelt werden, dann könnten einzelne Vertragsbedingungen zur Disposition gestellt werden, „die die Versorgung insgesamt gefährden“. Wenn der Gesetzgeber an diesem Vorschlag festhalte, sollte wenigstens die Übergangszeit auf bis Ende 2023 ausgedehnt werden. Bislang sieht der Entwurf vor, dass alle Verträge bis Ende 2021 in neues Recht überführt werden müssen.
Vom Förderprojekt gleich in die Regelversorgung?
Ein bisschen zu flott geht es der AOK bei dem Plan, vom Innovationsausschuss geförderte Vorhaben als Verträge nach Paragraf 140a SGB V fortführen zu können. Es sei fraglich, ob eine positive Förderentscheidung des Innovationsausschusses bereits das Vorliegen einer „Besonderen Versorgung“ begründen könne. Hier schieße das BMG „über das Ziel hinaus“.
Die KBV hat grundlegende Bedenken, Versorgungsinnovationen nur in regional gültige Verträge zu überführen. „Vorrang sollte grundsätzlich die Überführung der Innovation in die Regelversorgung haben“, fordert die KBV.
Divergierende Sichtweisen von KBV und Kassen ergeben sich auch bei dem Vorhaben, den Nachweis der Wirtschaftlichkeit von Selektivverträgen zu kippen. Bisher muss dieser spätestens vier Jahre nach Vertragsstart vorliegen. Kassen begrüßen in ihren Stellungnahmen diesen Schritt, die KBV dagegen warnt angesichts der gesamtwirtschaftlichen Situation davor. Zudem könnten Beitragsgelder aufgrund des fehlenden Wirtschaftlichkeitsnachweises „in die Versorgung von Versichertengruppen mit einer besonders günstigen Risikostruktur investiert und der Versorgung von chronisch kranken Patienten entzogen werden“.