Türkei / Syrien

Seuchengefahr im Erdbebengebiet wächst

Der Hilfsbedarf im Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien ist weiter riesig. Nun droht der Ausbruch von Seuchen. Der WHO-Chef kam am Samstag in die schwer betroffene Stadt Aleppo in Syrien. Derweil wächst in Rebellengebieten die Kritik an der UNO.

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Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), spricht mit einem Mädchen während seines Besuchs im Alrazi Krankenhaus in Aleppo.

Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), spricht mit einem Mädchen während seines Besuchs im Alrazi Krankenhaus in Aleppo.

© Khalil Hamlo / dpa

Antakya/Aleppo. Knapp eine Woche nach den verheerenden Erdbeben wächst in den betroffenen Regionen in Syrien und der Türkei die Gefahr von Krankheiten. „In den Regionen, wo Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, drohen irgendwann Seuchen“, sagte Thomas Geiner, erdbebenerfahrener Mediziner und Teil des Teams der Katastrophenhelfer vom Verein Navis.

„Die Kunst der nächsten Tage wird es sein, Hilfe dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird.“ Bei der Größe der Region sei es aber so gut wie unmöglich, überall die nötige Infrastruktur bereitzustellen. Die betroffenen Gebiete sind flächenmäßig größer als Deutschland.

Ungeborgene Leichen, kein Zugang zu Toiletten

Durch die vielen ungeborgenen Leichen könne Wasser verunreinigt werden. Vielerorts haben Leute zudem keinen Zugang zu irgendeiner Art von Toiletten. Auch dadurch könnten Keime in das Grundwasser gelangen. Geiner sagte, die Situation vor Ort erinnere ihn an die in Haiti nach dem Erdbeben 2010.

In der Region sehe man alles an Verletzungen, was man sich vorstellen könne. Es brauche alles an möglicher Hilfe. Die Gesundheitsinfrastruktur ist stark beschädigt.

Die Gesamtzahl der gemeldeten Todesopfer lag am Sonntagabend bereits bei mehr als 35.000. Befürchtet wurde, es könnten am Ende nach Abschluss der Aufräumarbeiten mehr als doppelt so viele sein.

Blitzbesuch des WHO-Chefs

Unterdessen ist der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, in Syrien eingetroffen. Er landete Samstagmittag am Flughafen der besonders schwer getroffenen Stadt Aleppo, wie die Staatsagentur Sana meldete.

Demnach wollte er Krankenhäuser und Notunterkünfte besuchen, um sich ein Bild der Lage zu machen. Er habe zudem 35 Tonnen medizinischer Ausrüstung für die Erdbebenopfer mitgebracht. Ein weiteres Flugzeug mit medizinischem Gut soll demnach innerhalb der nächsten zwei Tage im Land eintreffen.

Auch UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths wurde nach UN-Angaben in Aleppo erwartet – seine Ankunft verzögerte sich jedoch zunächst.

Klagen über mangelnde Hilfe der UN

Aleppo liegt im Nordwesten Syriens und wird von der Regierung in Damaskus kontrolliert. Ob Tedros auch Rebellen-Gebiete besucht, war zunächst unklar. Die in den Rebellen-Regionen aktive Rettungsorganisation Weißhelme hatte sich bitter über mangelnde UN-Hilfe nach dem Erbeben beklagt.

Die WHO habe Konvois mit Erdbeben-Hilfe für die Rebellengebiete in Nordwest-Syrien bereit, wartee aber noch auf die Ausliefergenehmigung. Die Regierung in Damaskus habe eine umfassende Genehmigung gegeben, Konvois aus Gebieten unter Regierungskontrolle in Rebellengebiete zu bringen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Sonntag in der syrischen Hauptstadt Damaskus. „Wir sind bereit, wir warten darauf, von der anderen Seite zu hören“, sagte Tedros. Das Gebiet um Idlib ist unter Kontrolle von Milizen.

Weitere Grenzübergänge sollen geöffnet werden

Nach Angaben von Tedros hat der syrische Präsident Baschar al-Assad ihm in Aussicht gestellt, wegen der Notsituation weitere Grenzübergänge zwischen dem Nordwesten und der Türkei zu öffnen.

Die WHO schätzt, dass alleine in Aleppo mehr als 200.000 Menschen nach den Erdbeben obdachlos geworden sind. Auch mehrere Krankenhäuser und medizinische Ausrüstung seien von Schäden betroffen. Das Gesundheitssystem des Bürgerkriegslandes sei ohnehin an der Belastungsgrenze. (dpa)

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