Organtransplantationen

So geht es raus aus dem Spenden-Tief

Die Organspendezahlen gehen seit Jahren zurück, vor allem seit dem Transplantationsskandal 2012. Experten verschiedener Organisationen aus der Transplantationsmedizin stellen jetzt Ideen vor, wie es wieder aufwärts gehen kann.

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Die Organspendezahlen gehen seit Jahren zurück.

Die Organspendezahlen gehen seit Jahren zurück.

© Jens Kalaene / dpa

Von Björn Nashan, Klaus Hahnenkamp, Axel Rahmel und Hans Lilie

BERLIN. Seit 2010 wurde ein kontinuierlicher Rückgang der Organspendezahlen beobachtet, der durch den Transplantationsskandal im Jahr 2012 weiter beschleunigt wurde und zu einem Tiefststand der Spenden im Jahr 2014 führte.

Auch wenn ein nicht unerheblicher Einfluss des oben genannten Skandals auf diese Entwicklung offensichtlich ist, stellt sich doch die Frage, ob nicht eine spezifische Schwäche des deutschen Systems im Vergleich zu internationalen Strukturen und Systemen ursächlich für die gegenwärtige Situation ist.

Die Frage lautet: Wer ist zuständig für die Organspende im Sinne der Identifikation von Spendern, intensivmedizinischer Betreuung, irreversiblem Ausfall der Hirnfunktion, und letztlich, aus welchem Fachgebiet rekrutieren sich gegenwärtig und auch zukünftig die Transplantationsbeauftragten?

Gesetz legt Zuständigkeiten fest

Probleme der Organspende

Das Transplantationsgesetz zielt unter anderem auf die Verhinderung möglicher Interessenkonflikte ab – dem ist aber die bisherige Organisation der Organspende nicht voll gerecht geworden.

Deshalb wurde 2013 die Kommission für Organentnahme in der Deutschen Gesellschaft für Transplantationsmedizin mit der Aufgabe der Qualitätssicherung bei der Organentnahme gebildet.

Essenziell ist die Einbindung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner in die Struktur der Ständigen Kommission Organspende (StäKO) bei der Bundesärztekammer.

Das Transplantationsgesetz (TPG) legt in den Paragrafen 9 bis 12 die Zuständigkeiten im Bereich der Organtransplantation fest. Unter Berücksichtigung gewachsener Strukturen sind die Transplantationszentren (Paragraf 10) durch die Deutsche Transplantations-Gesellschaft (DTG) vertreten.

Die Koordination der Organspende nach Paragraf 11 obliegt der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) und die Vermittlung der Organe nach Paragraf 12 Eurotransplant.

Eine übergreifende Organisationsstruktur der Entnahmekrankenhäuser (Paragraf 9a) besteht nicht. Desgleichen besteht zur Zeit keine strukturierte Vertretung oder Organisation für den neu geschaffenen Transplantationsbeauftragten (Paragraf 9b), abgesehen von regionalen Insellösungen.

Interessenkonflikte möglich

Die im Gesetz klar vorgenommene Strukturierung dient der Vermeidung von Interessenskonflikten. Für die Betreuung schwer hirngeschädigter Patienten, die Gespräche mit den Angehörigen zu den weiteren Behandlungsoptionen und der Prognose des Patienten sowie für die Einleitung der Diagnostik zum Nachweis des irreversiblen Ausfalls der Hirnfunktion sind weder ein Transplantationsmediziner (chirurgisch oder internistisch) noch ein Mitarbeiter der DSO geeignete Personen.

In der Vergangenheit war es zu partiellen Insellösungen im Bereich der Organspende (KOSE - Kommission für Organspende - in der DTG), zum Beispiel aktive Unterstützung bei Angehörigen-Gesprächen durch die DSO, gekommen.

Zu Recht wurde hier von außen Kritik im Hinblick auf Interessenskonflikte vorgetragen, die zu einer strukturellen Neuaufstellung der DTG und der DSO führten. Die KOSE wurde 2013 in die KfO (Kommission für Organentnahme) umgewandelt mit den klaren Arbeitszielen:

  • Qualitätssicherung der Organentnahme in Zusammenarbeit mit der DSO und
  • Entwicklung der Organperfusion (dynamisch versus statisch, Perfusionspumpen, Perfusionslösungen etc.)

Angesichts der seitens des Gesetzgebers vorgesehenen Aufgabenteilung zur Vermeidung eines Interessenkonfliktes empfiehlt es sich daher in Anlehnung an internationale Strukturen den Bereich Organspende mit den spezifischen Themen

  • intensivmedizinische Betreuung,
  • irreversibler Ausfall der Hirnfunktion und
  • Weiterbildung und gegebenenfalls Organisation der Transplantationsbeauftragten in eine feste Struktur mit Vertretung in der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (StäKO) einzubinden.

Nach intensiven Gesprächen im Vorstand der DTG und Absprache mit der DSO und StäKO, kontaktierte die DTG die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI) im November 2014 auf Vorstandsebene, um die Möglichkeiten einer zukünftigen Einbindung und Zusammenarbeit zu eruieren.

Vermittlung von Kenntnissen

Mit der Konstitution der fünften Sitzungsperiode der StäKO erfolgte die Einsetzung einer Arbeitsgruppe "Organspende" unter Leitung von Herrn Professor Klaus Hahnenkamp (Greifswald) sowie dessen Berufung als Ständiger Gast in dieses Gremium.

Die DIVI hat eine Sektion Organspende unter Leitung von Herrn Professor Hahnenkamp und betreut unter anderem das Curriculum für die Zusatzbezeichnung "Interdisziplinäre Intensivmedizin".

Teil dieses Curriculums ist die Vermittlung von Kenntnissen über die Diagnostik des irreversiblen Ausfalls der Hirnfunktion sowie das Thema Organspende.

Arbeit an der Fortbildung

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat mittlerweile eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Herrn Dr. van Ascheraden eingesetzt, um ein Fortbildungscurriculum für den Transplantationsbeauftragten zu erarbeiten, das noch in der ersten Jahreshälfte 2015 implementiert werden wird.

In der Amtsperiode von 2015 bis 2019 wird ferner als Vertreter der Transplantationsbeauftragten Herr PD Dr. Frings aus Kamp-Lintfort, benannt durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft, vertreten seien.

Wir sind davon überzeugt, dass mit Einbeziehung der DIVI und der Transplantationsbeauftragten in die Strukturen der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer eine deutliche Stärkung dieses für die Transplantation wichtigen Sektors bewirkt wird.

Bereits jetzt bestehen auf der Arbeitsebene in den Bereichen der Qualitätssicherung der Organspende und Organentnahme direkte Kontakte zwischen Mitarbeitern der Deutschen Stiftung Organtransplantation und Mitgliedern der DTG und DIVI, die weiter ausgebaut werden müssen.

Die Autoren:

Björn Nashan (DTG, Deutsche Transplantations Gesellschaft)

Klaus Hahnenkamp (DIVI, Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner)

Axel Rahmel (DSO, Deutsche Stiftung Organtransplantation)

Hans Lilie (StäKO, Ständige Kommission Organspende der Bundesärztekammer)

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Kommentare
Heidemarie Heubach 15.04.201514:47 Uhr

Mal mit der Wahrheit versuchen!

Meineserachtens werden die Organspenderzahlen solange nicht mehr steigen, wie die Gleichung "hirntot = tot" im Stile von irreführender Propaganda verwendet wird. Die Menschen lassen sich eben heutzutage nicht mehr (so leicht) hinter`s Licht führen wie zu Hamelner Zeiten des Rattenfängers.
Wer ist schon so doof, daß er glaubt, daß - für Transplantationen notwendige - gut durchblutete Organe aus einer Leiche entnommen werden können ?
Zudem geht es beim TP-Geschäft ja um eim enormes, was die aktuellen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von Ärzten noch erheblich steigert.
Hier wird von einigen Wenigen ein ganzer Berufsstand in Misskredit gebracht - tragisch, daß das die BÄK nicht sieht !

Dr. Wolfgang P. Bayerl 14.04.201509:12 Uhr

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