Pandemie-Gesetze
So soll der Bundestag bei Corona-Maßnahmen wieder mehr mitreden
Entscheidungen zur Pandemie sollen verfassungsrechtlich sauber wieder unter Parlamentsvorbehalt gestellt werden. Am Freitag berät der Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Der Bundestag will das Heft wieder stärker in die Hand nehmen. Um verfassungsrechtliche Untiefen der bisherigen Corona-Verordnungsermächtigungen für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu umschiffen, soll die bisherige, im März beschlossene Generalklausel für Verordnungsermächtigungen „im Hinblick auf Dauer, Reichweite und Intensität möglicher Maßnahmen“ präzisiert werden.
So steht es in der jüngsten Version des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes vom Nachmittag des 3. November. In der Einleitung des Gesetzentwurfes ist von „erheblichen Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten“ die Rede, derentwegen der Parlamentsvorbehalt des Grundgesetzes wieder greifen müsse.
Der sieht vor, dass wesentliche Entscheidungen nicht die Exekutive, sondern der Gesetzgeber treffen muss. „Wir machen das Infektionsschutzgesetz fit für die nächsten Monate der Corona-Pandemie und wir treffen Vorbereitungen für eine hoffentlich bald zur Verfügung stehende Impfung“, sagte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas. Ihr Fraktionskollege Dirk Wiese betonte, „dass die bisher getroffenen Maßnahmen notwendig und auch verhältnismäßig“ gewesen seien. Beide Regierungsfraktionen hatten in den letzten Tagen die Notwendigkeit einer Stärkung des Parlamentsvorbehalts betont. Der Entwurf soll am Freitagvormittag in erster Lesung im Bundestag beraten werden.
Regelungen konkret und tief
Dafür sollen künftig in einem eigenen Paragrafen des Infektionsschutzgesetzes (Paragraf 28a IfSG) mögliche Eingriffe in das Leben der Menschen im Falle einer Pandemie konkret benannt werden. Ein Ziel der Regierungsfraktionen dabei ist, die Einschränkungen weniger angreifbar durch Gerichtsentscheide zu machen. Der Entwurf zählt daher sämtliche Instrumente von Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum, Maskenpflicht, Verbote von Veranstaltungen aller Art, Eingriffe in das Wirtschaftsleben oder Reisebeschränkungen auf.
Aus der Begründung wird die beabsichtigte Regelungstiefe deutlich: Hier ist von der „strikten Minimierung der physischen Kontakte zwischen Menschen“ die Rede, die „systematisch reduziert werden“ müssten, weil das Corona-Virus besonders leicht „im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole“ übertragen werde.
Arztvorbehalt soll erweitert werden
Bundes- oder landeseinheitlich müssen die Alltagseinschränkungen demnach nicht sein, können es aber, wenn die bundesweite Inzidenz 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschreitet.
„Die Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städten Schwellenwerten ausgerichtet werden, soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert sind“, hebt der Entwurfstext auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit von Regierungshandeln ab.
Die Schwellenwerte sind die aus den Bund-Länder Vereinbarungen bekannten. Ab 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen sollen einfache Schutzmaßnahmen in Betracht kommen.
Der Gesetzentwurf enthält zudem Regelungen für die möglicherweise bevorstehenden Impfungen. Dabei geht es um die Daten, die die KVen und die geplanten Impfzentren dem Robert Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut übermitteln sollen.
Bisher dürfen laut Infektionsschutzgesetz nur Humanmediziner eine Infektion mit einem Erreger feststellen. Um bislang brachliegende Testkapazitäten rechtssicher nutzen zu können, soll dieser Arztvorbehalt auf Zahnärzte und Veterinärmediziner ausgeweitet werden.