Pharma
So viel zahlte die Industrie an Ärzte
Erstmals offenbart die Pharmaindustrie, was sie für Leistungen an Ärzte zahlt und in welchem Ausmaß sie Fortbildung finanziert. Kritikern geht die Offenheit nicht weit genug.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Zusammenarbeit von Ärzten und Pharmaindustrie wird ein Stück weit transparenter. Bis Ende Juni wollen die Mitgliedsunternehmen des Vereins "Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie" (FSA) erstmals offenlegen, wie viel Geld sie im Vorjahr an Ärzte, andere Berufsgruppen im Gesundheitsbereich, medizinische Organisationen und Einrichtungen überwiesen haben. Damit setzen die 54 Mitgliedsunternehmen des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) Vorgaben des Transparenzkodex um, der 2014 beschlossen und 2015 wirksam geworden ist.
"Auf Basis dieser Zahlen kann die Öffentlichkeit nachvollziehen , wie Ärzte und Pharmaunternehmen zusammenarbeiten", sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Gläsern wird die Zusammenarbeit von Industrie und Ärzten durch die weitere Umsetzung des Transparenzkodex nicht. Es bleiben blinde Flecken, wo Ärzte ungenannt bleiben wollen. Ärzte dürften sich hinter dem Datenschutz verstecken, beklagte Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz.
Im Schnitt rund ein Drittel der für Anwendungsbeobachtungen honorierte niedergelassenen Ärzte sollen einer namentlichen Veröffentlichung aber zugestimmt haben. Diese Zahl nannte FSA-Geschäftsführer Dr. Holger Diener. Abgerufen werden können diese Daten über die Webseiten der einzelnen Unternehmen.
575 Millionen Euro von 54 Unternehmen
Bislang liegen lediglich aggregierte Zahlen vor, in die auch die Zuwendungen an diejenigen Ärzte einfließen, die einer Veröffentlichung ihrer Daten nicht zustimmen. Demnach haben die 54 Unternehmen im Jahr 2015 circa 575 Millionen Euro an Ärzte, Fachkreise und medizinische Organisationen für Forschung und Fortbildung bezahlt.
vfa und FSA schlüsseln die Summe wie folgt auf.
366 Millionen Euro flossen an Ärzte in Kliniken und niedergelassene Ärzte. Honoriert wurden damit Leistungen für klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen.
119 Millionen Euro bezahlten die Unternehmen Ärzten für Vorträge und als Zuschüsse für Fortbildungen.
90 Millionen Euro werden unter Sponsoring und Spenden verbucht.
Fischer: Zuwendungen wichtig für medizinischen Fortschritt
Birgit Fischer verteidigte die Zuwendungen an Ärzte. "Die Zusammenarbeit zwischen forschenden Pharma-Unternehmen und Ärzten ist eine Voraussetzung für die Entwicklung innovativer Arzneimittel und damit für die bestmögliche Behandlung der Patienten." So entstehe medizinischer Fortschritt, sagte Fischer.
Die Nähe von Ärzten und Industrie ist seit jeher umstritten. Zuwendungen gehörten unterbunden, forderte die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion der Linken, Kathrin Vogler, am Montag. Kranke Menschen müssten sicher sein können, dass ihr Arzt ihnen nur etwas verschreibe, was für die Genesung wichtig sei, sagte Vogler.
Die Realität sei aber, dass die Pharmakonzerne "täglich zehntausend Vertreter mit vollen Köfferchen in die Arztpraxen schickten, um das Verschreibungsverhalten zu beeinflussen". Mit ihrer Transparenzinitiative wollten die Unternehmen eine wirksame gesetzliche Beschneidung ihrer Manipulationen vermeiden, sagte Vogler.
FSA-Chef Diener sieht in der freiwilligen Selbstkontrolle dagegen einen Beitrag, unlauterer Beeinflussung von Ärzten und Patientenorganisationen vorzubeugen. Die Unternehmen hätten damit eine neutrale Institution der Kontrolle und Ahndung geschaffen. Seit 2004 seien rund 500 Verstöße gegen den Kodex verfolgt worden. Betroffene Unternehmen würden bei nachgewiesenem Fehlverhalten im Internet öffentlich angeprangert. Bereits 2015 hatte Diener von einem Fall berichtet, in dem ein Unternehmen zu einem Bußgeld von 130.000 Euro ververpflichtet worden war.