Organspende-Skandal

So wurde die Wartezeit verkürzt

Neue Enthüllungen: Im Transplantationsskandal kommen immer weitere Details ans Licht. Die Wartelisten wurden offenbar mit gefälschten Laborwerten manipuliert - dafür waren nur zwei Ärzte nötig.

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UMG: Mit falschen Laborwerten auf die Warteliste?

UMG: Mit falschen Laborwerten auf die Warteliste?

© Julian Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN (pid). Im Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum sind jetzt neue Details bekannt geworden. Offenbar waren zwei Abteilungen in die Manipulationen von Patientendaten verwickelt.

Den Ermittlungen zufolge sollen bei den internistischen Voruntersuchungen von Leberkranken in der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie falsche Laborwerte erhoben worden sein.

Dadurch sollen die Patienten kränker gemacht worden sein, als sie eigentlich waren. Die falschen Blutwerte und Dialyseprotokolle wurden dann offenbar an die Transplantationsabteilung weitergeleitet, die diese dann an die Stiftung Eurotransplant übermittelte.

Auf diese Weise sollen die Patienten unberechtigt auf eine vordere Stelle der Warteliste für Spenderorgane gekommen sein.

Dabei soll es mehrfach vorgekommen sein, dass Laborärzte wegen der teilweise dramatisch hohen Werte stutzig wurden und deshalb eine Überprüfung veranlassten.

Die neuen Untersuchungen ergaben dann jeweils ganz andere Befunde. Daraufhin wurden zwar die falschen Werte gelöscht und die Daten entsprechend korrigiert - offenbar aber nur intern.

Die Stiftung Eurotransplant wurde dagegen nicht darüber informiert, dass die Werte nicht stimmten. Dies sei offenbar die Lücke gewesen, die von den Beteiligten genutzt worden sei, sagte am Freitag der Sprecher der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Stefan Weller.

Seit 20 Jahren am Uniklinikum

Für die Manipulationen sollen nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zwei leitende Mediziner verantwortlich sein.

Außer dem früheren Leiter der Transplantationschirurgie, von dem sich die Klinik bereits Ende vergangenen Jahres getrennt hatte, soll auch der Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie beteiligt gewesen sein.

Die Universitätsmedizin hatte den Mediziner aufgrund der neuen Erkenntnisse am Donnerstag vorläufig vom Dienst suspendiert.

Der 60-jährige Internist ist seit 20 Jahren am Göttinger Uni-Klinikum tätig. Seit Oktober 1992 leitet er die Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie, die sich mit Magen-, Darm- und Leberkrankheiten beschäftigt.

Die Abteilung ist eine Art Schaltstelle für die Transplantationschirurgie, weil dort die Voruntersuchungen der Patienten stattfinden.

Der Abteilungsleiter sei mit den Untersuchungen befasst gewesen und habe Einfluss auf den Meld-Score der Stiftung Eurotransplant gehabt, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen, Andreas Buick.

Die Anklagebehörde ermittelt gegen beide Mediziner wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in 23 Fällen, weil durch die Manipulationen andere Patienten auf der Warteliste nach hinten gerutscht und in der Folge verstorben sein könnten.

Parallel dazu ermittelt die für Korruptionsfälle zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.

Bislang gibt es allerdings keine gesicherten Hinweise darauf, dass tatsächlich Geld geflossen ist. So waren die Patienten, die bevorzugt zu einer Spenderleber kamen, überwiegend Kassenpatienten.

Der Verdacht war im Fall eines russischen Patienten aufgekommen, der im vergangenen Jahr in Göttingen eine Spenderleber bekommen hatte.

Probleme auch in Regensburg

Der Leiter der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, Professor Hans Lilie, hat die Aufklärungsarbeit der Göttinger Universitätsmedizin gelobt.

"Da wird nichts vertuscht, sondern schonungslos und ohne Rücksicht auf Verluste aufgeklärt", sagte der Medizinrechtler am Freitag.

Das war an der Universitätsklinik Regensburg, wo der Transplantationschirurg vorher gearbeitet hatte, offenbar deutlich anders gewesen.

Dort war der Chirurg im Jahr 2005 unter anderem dadurch aufgefallen, dass er unberechtigterweise eine Spenderleber nach Jordanien geschafft hatte.

Die Untersuchungskommission der Ärztekammer stieß damals bei der Prüfung des Falles auf weitere Verstöße gegen die Richtlinien zur Organtransplantation. Diese hatten aber keinerlei Konsequenzen für den Mediziner.

Stattdessen konnte er Karriere machen und wurde im Herbst 2008 Leiter der Transplantationschirurgie in Göttingen. Dort habe niemand etwas von irgendwelchen Unregelmäßigkeiten gewusst, sagt UMG-Sprecher Weller.

Wäre damals etwas darüber bekannt gewesen, wäre der Chirurg nicht eingestellt worden.

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