COVID-19-Pandemie

Sorge wegen neuer Coronavirus-Variante in England

Deutlich ansteckender: Wegen einer Corona-Mutation gilt in London und Teilen Südenglands nun wieder eine weitreichende Ausgangssperre. Sorgen, dass der Impfstoff gegen die Mutation weniger effektiv sei, teilen Wissenschaftler nicht.

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Hinweisschilder mahnen in London, Abstand zu halten und möglichst Treffen zu vermeiden.

Hinweisschilder mahnen in London, Abstand zu halten und möglichst Treffen zu vermeiden. Seit Sonntag gilt nicht nur in London ein strenger Shutdown.

© WIktor Szymanowicz / picture alliance / NurPhoto

London/Genf. Besorgt blicken Wissenschaftler und Politiker auf eine neue Variante des Coronavirus, die sich derzeit rasch im Südosten Englands ausbreitet. Das Land stehe vor einer enormen Herausforderung, sagte der britische Gesundheitsminister Matt Hancock am Sonntag dem Sender Sky News. Nach ersten Erkenntnissen britischer Wissenschaftler ist die kürzlich entdeckte Variante um bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form. Premierminister Boris Johnson hatte am Samstag betont, es gebe aber keine Hinweise darauf, dass Impfstoffe gegen die Mutation weniger effektiv seien.

Diese Meinung teilten am Sonntag auch Wissenschaftler. „Ich sehe da derzeit keinen Grund für Alarm“, sagte etwa Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel.

WHO steht in engem Kontakt mit britischen Behörden

Um das Virus einzudämmen, gilt seit Sonntag in der Hauptstadt London und weiten Teilen Südostenglands ein harter Shutdown mit Ausgangssperren, auch über die Weihnachtstage. Mehr als 16 Millionen Menschen sind betroffen. Hancock schloss nicht aus, dass die schärferen Maßnahmen „in den kommenden Monaten“ in Kraft blieben.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) twitterte in der Nacht zum Sonntag, sie stehe mit Großbritannien in engem Kontakt. Die britischen Behörden würden weiter Informationen und Ergebnisse ihrer Analysen und Studien teilen. „Wir werden die Mitgliedstaaten und die Öffentlichkeit auf dem Laufenden halten, sobald wir mehr über die Merkmale dieser Virus-Variante und deren Auswirkungen erfahren.“ Die WHO riet, weiter alle Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die Niederlande reagierten bereits und untersagten alle Flüge nach und aus Großbritannien. Auch Deutschland prüft Schutzvorkehrungen im Luftverkehr. Einschränkungen der Flüge aus Großbritannien und auch aus Südafrika seien „eine ernsthafte Option“, hieß es am Sonntagmittag aus Kreisen des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin.

Höchste Coronastufe greift in London und Regionen Südostenglands

Londons Bürgermeister Sadiq Khan zeigte Verständnis für den Shutdown, bei dem auch nicht lebensnotwendige Geschäfte und Einrichtungen schließen müssen. „Es ist das Hin und Her, das zu so viel Angst, Verzweiflung, Traurigkeit und Enttäuschung führt“, sagte Khan am Sonntag der BBC. „Wenn wir unsere Meinung immer wieder ändern, macht es das Leuten wie mir wirklich schwer, die Menschen zu bitten, uns zuzuhören.“

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Wegen der Ausbreitung der neuen Variante wurde für London und andere Regionen in Südostengland die höchste Corona-Stufe 4 eingeführt. Einwohner dürfen dieses Gebiet seit Sonntag nicht verlassen. Nach Bekanntgabe der schärferen Maßnahmen machten sich zahlreiche Menschen dennoch am Samstagabend spontan auf den Weg, um aus London abzureisen. Fotos und Videos zeigten volle Bahnhöfe. „Was Sie gestern gesehen haben, war eine direkte Folge der chaotischen Art und Weise, wie die Ankündigung gemacht wurde“, sagte Khan.

Er habe Verständnis, dass Menschen in letzter Sekunde, bevor die Reiseverbote greifen, zu ihren Familien reisen wollen. „Aber es ist falsch“, sagte der Bürgermeister. Und mit Blick auf Corona-Impfmittel fügte er hinzu: „Wie werden Sie sich fühlen, wenn Sie das Virus an ältere Verwandte, geliebte Menschen weitergeben, deren Leben wegen des Vakzins lang und fruchtbar sein könnte, der sich aber dadurch mit dem Virus infiziert und – Gott bewahre – stirbt?“

In Deutschland ist die neue Virus-Variante bislang noch nicht aufgetaucht

In Deutschland ist die neue Coronavirus-Variante, die sich derzeit in Großbritannien ausbreitet, nach Angaben von Christian Drosten bisher nicht aufgetaucht. Die Verbreitung könne Zufall sein, schreibt der Coronavirus-Experte der Berliner Charité auf Twitter. Die Mutationen verschafften dem Virus nicht zwingend einen Selektionsvorteil, auch wenn das möglich sei. Ein Selektionsvorteil kann dazu führen, dass sich ein Virus leichter ausbreiten kann.

Der deutsche Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) warnte indes vor weiteren Mutationen des Coronavirus. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass Mutationen die Ansteckungsgefahr erhöhen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Sonntag). „Das ist ein weiterer Grund dafür, dass die zweite Welle nicht so stark werden darf. Je mehr Ansteckungen man zulässt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch gefährlichere Mutationen folgen.“ (dpa)

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