Corona-Pandemie
Spahn gesteht Schwierigkeiten bei Impfkampagne ein
Verzögerte Vakzine-Lieferungen, verstopfte Hotlines: Gesundheitsminister Spahn sagt, dass bei den Corona-Impfungen vieles anfangs ruckelig lief. Er stimmt die Bürger auch auf weitere Rückschläge ein. Er sieht aber auch Lichtblicke.
Veröffentlicht:Berlin. In der Debatte um den missglückten Corona-Impfstart ist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) um Schadensbegrenzung bemüht. „Der Start der Impfkampagne war schwierig“, gestand Spahn am Freitag in Berlin ein.
In Deutschland seien weniger Impfstoffe angekommen „als erwartet“. Impf-Hotlines seien „phasenweise schwer erreichbar“. Auch in den nächsten Wochen könne es „weitere Rückschläge geben. „Darauf müssen wir uns einstellen.“
„Große Fortschritte“ in Heimen
Gleichwohl leisteten die Länder unter „schwierigen Bedingungen gute Arbeit“, so Spahn. Vor allem beim Impfschutz vulnerabler Gruppen gebe es „große Fortschritte“. Inzwischen hätten 560.000 der gut 800.000 Heimbewohner die erste Impfung erhalten – 150.000 hätten die zweite Impfung bekommen.
Bund und Länder müssten bei der Umsetzung der Impfkampagne „an einem Strang ziehen“, mahnte Spahn. Diesem Ziel diene der für kommenden Montag geplante Impfgipfel im Kanzleramt, zu dem auch Vertreter der Hersteller sowie der EU eingeladen seien. Es gehe darum herauszufinden, „was ist möglich, aber im Übrigen auch realistisch einzuschätzen, was ist nicht möglich – jedenfalls nicht in zwei oder vier Wochen“.
Blicke richten sich auf AstraZeneca-Impfstoff
An diesem Freitag werde die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) „sehr wahrscheinlich“ den Impfstoff von AstraZeneca zulassen, sagte Spahn. „Wir rechnen nicht mit einer uneingeschränkten Zulassung – dafür reicht die Datenlage für Ältere nicht aus.“ Er begrüße die Aussage des Herstellers, „trotz der Produktionsprobleme die Liefermengen an die Europäische Union erhöhen zu wollen“. Die EU-Mitgliedsstaaten hätten in die Vorproduktion der Impfstoffe investiert und hätten somit auch ein Recht darauf, „davon zu profitieren“.
Der Bund rechne mit etwa zwölf Millionen Impfdosen der Hersteller BionTech/Pfizer und Moderna bis Ende März – „Stand heute“. Damit ließe sich dem größten Teil der in der Impfverordnung festgelegten Priorisierungsgruppe eins ein Impfangebot im ersten Quartal machen.
Komme der AstraZeneca-Impfstoff hinzu und liefere der Hersteller wie angekündigt etwa 17 Millionen „mindestens“ im Februar an die EU aus, wären das zusätzlich drei Millionen Dosen für Deutschland. „Die machen natürlich einen Unterschied, damit können wir ja viele Menschen impfen“, so Spahn.
Bald Impfungen in Praxen?
Der von AstraZeneca produzierte Corona-Impfstoff weist im Vergleich zu den anderen Vakzinen laut Experten Vorzüge auf: Er ist handlicher, da er bei Kühlschranktemperatur gelagert werden kann. Das ermöglicht eine Verimpfung in Hausarztpraxen, was die Impfaktion deutlich beschleunigen würde. Die Vertragsärzte hatten zuletzt mehrfach betont, sie stünden für die Impfungen bereit.
Es wird damit gerechnet, dass die EMA den Impfstoff von AstraZeneca vorerst nur für Personen von 18 bis 65 Jahren zulässt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hatte sich bereits entsprechend positioniert: Wegen nicht ausreichender Daten in höherem Alter solle der AstraZeneca-Impfstoff, anders als die mRNA-Vakzinen, „in den Priorisierungsstufen jeweils nur den Personen angeboten werden, die 18–64 Jahre alt sind“, schreibt die STIKO.
Debatte um Priorisierung
Gesundheitsminister Spahn stellte mit Blick auf mögliche Änderungen an der Impfpriorisierung fest: Erst, wenn die EMA den Impfstoff von AstraZeneca zugelassen habe, werde die STIKO eine Empfehlung aussprechen – bisher liege ja nur ein Entwurf der Empfehlung vor. Auf der Basis der STIKO-Empfehlung werde sein Ministerium dann „gegebenenfalls“ die Impfverordnung anpassen.
Zuvor hatte es Forderungen nach einer geänderten Impfreihenfolge als Konsequenz aus der voraussichtlich altersmäßig begrenzten Zulassung des Impfstoffs von AstraZeneca gegeben. SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Freitag erklärt, Deutschland müsse zum einen alternative Impfstoffe für die über 65-Jährigen beschaffen. Zum anderen gelte es, die Impfreihenfolge „neu zu koordinieren“. Krankenhaus- und Pflegepersonal sollten als erste „von den nun freien Ressourcen profitieren“.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte die Diskussion über eine Anpassung der Impfpriorisierung. „Wir brauchen gerade vor dem Hintergrund von Mutationen umfassenden und schnellen Schutz des Personals in den Krankenhäusern“, sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Beschäftigte, die täglich mit hochinfektiösen Patienten umgingen, müssten „nun die allerhöchste Priorität erhalten“.