Kritik an Impfpflicht
Spahn verteidigt Bußgelder gegen Impfgegner
Mit seinem Gesetzesvorschlag, impfmüde Eltern mitunter durch Strafzahlung zu sanktionieren, stößt Gesundheitsminister Spahn auf Skepsis. Fast 600.000 Menschen müssten wohl gegen Masern nachgeimpft werden. Ein Staatsrechtler hält das Gesetz für umsetzbar.
Veröffentlicht:BERLIN. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Kritik an den geplanten Bußgeldern für Eltern, die ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen, zurückgewiesen. „Es ist auch im Straßenverkehr so: Wenn Sie andere gefährden und sie werden erwischt, dann müssen Sie ein Bußgeld bezahlen“, sagte Spahn dazu im ZDF-Morgenmagazin. Er glaube, dass die allermeisten die Impfungen machen werden und gar nicht so viele Bußgelder verhängt werden.
Er wies auch den Vorwurf zurück, dass sein Gesetzentwurf Erwachsene ignoriere, die nicht ausreichend geimpfte seien. Spahn setzt nach eigenen Worten darauf, dass die Debatte das Bewusstsein schärfe. „Gleichzeitig regeln wir, dass Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Personal in Krankenhäusern, in öffentlichen Gemeinschaftseinrichtungen, geimpft werden müssen.“
Eine stärkere Verpflichtung verhindere auch, dass Eltern die Impfung vergessen. „Das Ziel ist ja nicht, Bußgelder zu verhängen. Das Ziel ist, dass möglichst alle geimpft sind“, sagte der Gesundheitsminister bereits am Sonntagabend in den ARD-„Tagesthemen“.
Erfolg bei Pocken auf Masern übertragbar?
Der Minister verwies auch auf die Impfpflicht gegen Pocken, die sich als Erfolg erwiesen habe. „Heute muss niemand mehr an den Pocken erkranken und das wollen wir für die Masern auch“, so Spahn.
Spahn will verpflichtende Masern-Impfungen für Kita- und Schulkinder mit Geldstrafen bis 2500 Euro und einem Ausschluss vom Kita-Besuch durchsetzen. Die Impfpflicht soll ab 1. März 2020 gelten, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht. Um die Zirkulation von Masern zu verhindern, seien Impfraten von mehr als 95 Prozent erforderlich, heißt es weiter im Entwurf.
Nachträgliche Impfung bei 600.00 Menschen
Um das allerdings zu erreichen, ist der Weg wohl steinig. Hunderttausenden Kindern und Erwachsenen fehlt die Impfung angeblich.
So müssten sich für die geplante Durchimpfung von Kindern und bestimmten Berufsgruppen rund 600.000 Menschen nachträglich impfen lassen. Das hätten Schätzungen des Gesundheitsministeriums ergeben, berichtete die „Bild“-Zeitung am Montag.
Demnach befinden sich in Kitas und Schulen derzeit rund 361.000 nichtgeimpfte Kinder. In solchen Gemeinschaftseinrichtungen sowie in Krankenhäusern und Arztpraxen seien zudem schätzungsweise 220.000 Angestellte zur Impfung gezwungen.
Montgomery unterstützt Impfpflicht
Ärztepräsident Professor Frank Ulrich Montgomery befürwortet Spahns Pläne. Er hält Strafen für Verstöße generell für gerechtfertigt, kann sich aber Ausnahmen vorstellen. Der Präsident der Bundesärztekammer gab im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur allerdings zu bedenken: „Eine Impfpflicht lässt sich leicht verlangen, aber ist schwer umzusetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Kinder mit der Polizei zum Impfen schleppt.“
Deshalb müsse man versuchen, mit Vernunft auf die Menschen einzuwirken. Montgomery fügte hinzu: „Sie werden darüber hinaus aber auch an einigen Strafen nicht vorbeikommen.“
Montgomery sagte weiter: „Man wird auch Kommissionen gründen müssen, die denjenigen Eltern und Kindern, die schwerwiegende Gründe gegen die Impfung haben – denn die gibt es auch – ermöglichen, von einer Impfung abzusehen. Mir schwebt da so was vor wie früher bei der Wehrpflicht. Die galt auch für alle, aber es gab Kommissionen, die die Verweigerer anerkannten. So etwas brauchen wir auch für Impfungen.“
Auch beim Internistenkongress hatte er am Sonntagabend bereits das Thema Impfpflicht aufgegriffen. Montgomery rief dabei auf, sich mehr um das Thema Aufklärung zu kümmern. Man müsse sich intensiver als bisher mit zwei Gruppen beschäftigen, mahnt er: den motivierten Impfgegnern wie auch den schlecht informierten Menschen.
Kontroverse Meinungen zur Impfpflicht
Die Grünen wiederum lehnen die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Masern-Impfpflicht ab. „Spahn sollte auf Überzeugung und niedrigschwellige Angebote setzen, statt auf Zwang“, sagte die zuständige Grünen-Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche dem Berliner „Tagesspiegel“ (Montag). Zwang könne sich negativ auf das Impfverhalten auswirken. „Damit wäre dann niemandem geholfen.“
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach nannte das unverantwortlich. „Da wird mehr Rücksicht auf die zahlreichen Impfverweigerer in der eigenen Wählerschaft genommen als auf die Gesundheit der Allgemeinheit“, sagte er der Zeitung.
Wie steht es um die rechtliche Umsetzbarkeit?
Der Göttinger Staatsrechtler Alexander Thiele sieht keine verfassungsrechtlichen Bedenken bei den Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine Masern-Impfpflicht. „Das ist natürlich ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit“, sagte Thiele der Deutschen Presse-Agentur am Montag.
Die entscheidende Frage sei, ob dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden könne. „Aus meiner Sicht ist das möglich“, so Thiele. Eine solche Impfpflicht, die dem Gesetzentwurf zufolge für Kinder und bestimmte Berufsgruppen gelten soll, wäre nach seiner Einschätzung nicht unverhältnismäßig. „Das gilt aus meiner Sicht auch für das vorgesehene Bußgeld in Höhe von bis zu 2500 Euro.“
Erst eine solche Sanktionierung würde eine Impfpflicht voll wirksam machen. 1959 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Zwang zur Pockenschutzimpfung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Das könne man aber nicht pauschal auf jede Impfung beziehen, sagte Thiele. Eine Impfpflicht sei nur gerechtfertigt bei Krankheiten, die außerordentlich schwere Folgen haben.
Spahn bringe die Impfpflicht nicht per Verordnung über das Infektionsschutzgesetz auf den Weg, sondern wähle ein Gesetz. „Er hat hier den demokratietheoretisch viel besseren Weg gewählt.“ Er wolle das im politischen Raum diskutieren lassen. „Das scheint mir sehr sinnvoll zu sein“, sagte der Staatsrechtler. (dpa).
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