Masern-Impfpflicht
Weckruf des Ministers an die Adresse der Impfmüden
Mit einem Paukenschlag will Gesundheitsminister Jens Spahn die Impfmüden im Land aufrütteln. Nach den Masernausbrüchen der jüngeren Vergangenheit beendet der Minister zumindest für eine Indikation die Freiwilligkeit der Impfentscheidung. Und der Zwang gilt nicht nur für Kinder.
Veröffentlicht:Geht es nach Gesundheitsminister Jens Spahn, brauchen Kinder künftig den Impfausweis als Eintrittskarte für die Kita. Eltern, die ihre schulpflichtigen Kinder nicht gegen Masern haben impfen lassen, sollen mit einem Bußgeld von 2500 Euro rechnen müssen.
Am Sonntag hat das Ministerium einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Pflichtimpfung gegen Masern vorgelegt, der eine breite gesellschaftliche Debatte auslösen dürfte. Das war dem Minister wohl bewusst, hat er als Verstärker für seinen Coup als Medium doch eine Sonntagszeitung mit besonders großen Buchstaben ausgesucht.
Ärzteschaft diskutiert kontrovers
In der Ärzteschaft ist die Impfpflicht gegen Masern nicht einheitlich bewertet. Unterschiedliche Auffassungen gibt es dazu, ob es eine Impfpflicht für alle von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen geben sollte. Dieser Meinung ist der scheidende Präsident der Bundesärztekammer Professor Frank Ulrich Montgomery. Seine Stellvertreterin Dr. Martina Wenker, die sich beim Ärztetag in Münster als eine von vier Kandidaten um die Nachfolge Montgomerys bewirbt, sieht dies eher skeptisch. Mit einer umfassenden Impfpflicht gehe man zu weit, ließ sie sich dazu ein.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hatte sich im April gegen eine Impfpflicht bei Masern ausgesprochen. Angesichts höherer Durchimpfungsraten in Deutschland im Vergleich mit Ländern mit Impfpflicht hatte die DEGAM in einem Positionspapier die „Argumente für eine Impfpflicht“ als fragwürdig eingestuft.
Impfpflicht nur für Masern
Auf die Ebene einer umfassenden Impfpflicht hat sich nun auch der Minister vorsichtshalber nicht begeben. Der Entwurf, der der „Ärzte Zeitung“ vorliegt, beschränkt sich ausschließlich auf die Prävention der Masern. Damit steigen die Erfolgsaussichten des Vorhabens. Im Jahr 2018 starben europaweit 70 Menschen an Masern.
In Deutschland waren 583 Menschen vor allem in Bayern, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen an Masern erkrankt. Alleine in den ersten beiden Monaten dieses Jahres hat das Robert Koch-Institut 170 neue Masernfälle gezählt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Deutschland daher bereits 2017 wieder auf die Liste der Länder mit endemischer Masernverbreitung gesetzt.
Die wesentlichen Punkte des Gesetzentwurfes:
- Alle Ärzte, gleich welcher Fachrichtung, dürfen Schutzimpfungen vornehmen.
- Masernimpfpflicht für die Kinder in Kitas und Schulen sowie für ihre Betreuer und Lehrer. Ohne Nachweis soll keine Aufnahme in die Kita erfolgen können.
- Masernimpfpflicht für niedergelassene Ärzte und ihr Personal sowie Ärzte und Pflegefachkräfte in Krankenhäusern.
- Für die Aufnahme in Kitas soll die Impfung Bedingung werden; für ungeimpfte Kinder, die bereits in einer Kita sind, wird ein Termin zur Nachholung der Impfung festgesetzt (31. Juli 2020).
- Wegen der Schulpflicht können nicht geimpfte Kinder nicht vom Unterricht ausgeschlossen werden, es sei denn, es kommt zu einem tatsächlichen Masernausbruch. Eltern nicht geimpfter Kinder droht ein Bußgeld von 2500 Euro.
Spahn: „Ich will die Masern ausrotten“
Der Gesetzentwurf rechnet mit 160.000 Impfungen in Kitas und Schulen und 60.000 Impfungen in medizinischen Einrichtungen. Der Grund ist, dass viele Erwachsene nicht den kompletten Impfschutz haben. 97,1 Prozent der Kinder bis 24 Monate erhalten hierzulande die erste Masernimpfung. Das bedeutet, dass die zur Herdenimmunisierung als nötig angesehene Grenze von 95 Prozent überschritten wird.
Die zweite Dosis der Masern-Mumps-Röteln-Impfung kommt wohl nur bei 92,8 Prozent der jungen Erwachsenen an. Zudem gibt es regional deutlich stärkere Ungleichgewichte. Im Süden Baden-Württembergs und Bayerns werden geringere Impfquoten verzeichnet. Das ist dem Minister zu wenig: „Ich will die Masern ausrotten“, sagte Jens Spahn der „Bild am Sonntag“. Dafür müssten mindestens 95 Prozent der Bevölkerung zwei Masernimpfungen haben.
Auch die Argumente der Impfgegner nahm der Minister aufs Korn. Sie verbreiteten „jede Menge Fake News“, sagte er der BAMS. Ein Hauptargument, nämlich dass die Masernimpfung Autismus auslösen könne, sei längst widerlegt. Der Autor habe seine ärztliche Zulassung verloren.
Die Impfdebatte hat eine internationale Dimension. Die Vereinten Nationen registrieren eine Zunahme starker Masernausbrüche weltweit. In den letzten zehn Jahren seien knapp 200 Millionen Kinder nicht geimpft worden, heißt es bei UNICEF.
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