Corona-Krise

Spahns zweites Pandemiegesetz nimmt parlamentarische Hürde

Der Bundestag beschließt Spahns zweites Pandemie-Gesetz. Die Opposition geißelt vor allem die „Blankoermächtigungen“ für den Gesundheitsminister.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Zu viele Befugnisse für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) durch das Pandemiegesetz? Mehrere Redner derOpposition kritisierten dies bei der Debatte am Donnerstag im Bundestag.

Zu viele Befugnisse für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) durch das Pandemiegesetz? Mehrere Redner der Opposition kritisierten dies bei der Debatte am Donnerstag im Bundestag.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Mit den Stimmen der Koalition hat der Bundestag am Donnerstag das von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingebrachte zweite Pandemie-Gesetz verabschiedet. Es sieht mehr Möglichkeiten für Tests auf SARS-CoV-2 vor.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kann die Krankenkassen per Verordnung dazu verpflichten, die Tests grundsätzlich zu bezahlen. Dies gilt auch, wenn keine Krankheitssymptome vorliegen. Darüber hinaus soll in Pflegeheimen und Krankenhäusern verstärkt auf Corona getestet werden können.

Das BMG wird ermächtigt, Einzelheiten der Reihentestungen festzulegen. Teil des Gesetzes ist zudem eine Meldepflicht von COVID-19.

„Gravierende Befugnisse“

Vertreter der Opposition übten scharfe Kritik am Gesetz. Die Regierung heimse am Parlament vorbei Befugnisse ein, was verfassungsrechtlich hochproblematisch sei. Die Gesundheitssprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, sprach von „Blankoermächtigungen“ für das Bundesgesundheitsministerium.

Außergewöhnliche Lagen wie die aktuelle seien nicht nur die Stunde der Exekutive, sondern auch die des Parlaments, zitierte die FDP-Politikerin einen Rechtsexperten aus der Ausschuss-Anhörung zum Pandemie-Gesetz. „Diese Erkenntnis spiegelt sich im Gesetz nicht wider.“

Die Methode Spahn hat wieder zugeschlagen: ambitioniert, lautstark, aber leider ohne das richtige Maß.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Gesundheitspolitikerin der Grünen-Bundestagsfraktion

Das Gesetz billige dem Gesundheitsminister gravierende Befugnisse zu – „und der Katalog dieser Befugnisse wird immer länger“, ereiferte sich der AfD-Gesundheitspolitiker Robby Schlund. Das Gesetz suggeriere eine „Krise, die es gar nicht gibt“.

Die Grünen-Politikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther stellte fest: „Die Methode Spahn hat wieder zugeschlagen: ambitioniert, lautstark, aber leider ohne das richtige Maß.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass wichtige Entscheidungen an Bundestag und Bundesrat vorbeigetroffen würden. „Die pandemische Krise darf nicht zu einer Demokratiekrise werden.“

Ermächtigungen nur begrenzt

Koalitionspolitiker wiesen die Vorwürfe zurück. Martina Stamm-Fibich von der SPD sagte, die Ermächtigungen seien auf ein Jahr begrenzt. „In der aktuellen Situation muss man handeln.“ Der Hausarzt und CSU-Politiker Stephan Pilsinger betonte, nicht die, die Leib und Leben schützen wollten, verstießen gegen die Verfassung, sondern diejenigen, die das Ableben anderer leichtfertig in Kauf nähmen.

Gesundheitsminister Spahn betonte, Deutschland habe bei der Bekämpfung des Virus „viel erreicht“. Es sei gelungen, die „Dynamik“ des Infektionsgeschehens zu brechen. „Das macht uns demütig, nicht übermütig.“ Ein Virus bekämpfe man aber nicht, „indem man es leugnet“, ging Spahn die AfD an. Tests seien auszuweiten, Gesundheitsämter weiter zu stärken.

Der Linken-Politiker Harald Weinberg nannte mehr Tests „vernünftig“. Dass sie zulasten der Versicherten gehen sollten, sei jedoch „inakzeptabel“.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, sagte, handele es sich bei den Tests nicht um originäre Leistungen der Kassen, würden diese aus Mitteln des Bundes bezahlt. „Kassenvertreter dürfen uns da beim Wort nehmen.“

„Testen, testen, testen“

„Testen, testen, testen ist das Gebot der Stunde“, mahnte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar. Das gelte besonders für das Umfeld besonders gefährdeter Personen. Deutschland befinde sich immer noch in der Pandemie.

Als Ärztin appelliere sie, das Virus nicht „auf die leichte Schulter zu nehmen“, so Dittmar. Die Menschen sollten „obskuren Verschwörungstheorien widersprechen“.

Rausgeflogen aus dem Gesetz ist die Einführung eines Immunitätsausweises. Die SPD hatte Spahn hier ausgebremst. Der beharrt weiter darauf. Andere Staaten planten bereits, die Einreise vom Immunitätsnachweis abhängig zu machen, sagte er am Donnerstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.

DKG: Krankenhausmitarbeiter auch testen

Die Krankenhäuser begrüßten die Entscheidung, Corona-Tests in Kliniken zu finanzieren. „Die Möglichkeit zur niederschwelligen Testung aller Patienten ist eine zentrale Voraussetzung zur Eindämmung der Epidemie und zur Wiederaufnahme der Regelversorgung“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, am Donnerstag.

Allerdings müssten auch Krankenhausmitarbeiter getestet werden, da sie im direkten Patientenkontakt besonders gefährdet seien, sagte Baum. Die Kosten dafür bezifferte er auf rund 50 Millionen Euro im Monat.

Kassenvertreter reagierten dagegen verhalten. Tests spielten zwar eine „wichtige Rolle bei der Beherrschung der Corona-Pandemie“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), am Donnerstag.

Kassenvertreter sind unzufrieden

Präventive Tests bei symptomlosen Patienten stünden aber nicht in Zusammenhang mit dem Krankheitsgeschehen, so Elsner. Die Finanzierung dieser Tests über die Liquiditätsreserve könne daher nur eine Zwischenlösung sein. „Letztlich müssen sie als versicherungsfremde Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden. Hier bleibt das Gesetz hinter unseren Erwartungen zurück, da es dies nicht verbindlich regelt.“

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

  • Mehr Tests ermöglichen und Infektionsketten früh erkennen: Das BMG kann die Kassen per Verordnung verpflichten, Tests auf SARS-CoV-2 grundsätzlich zu bezahlen.
  • Labore müssen auch negative Testergebnisse melden. Gesundheitsämter müssen übermitteln, wenn jemand als geheilt gilt. Teil des Meldewesens ist auch, wo sich jemand wahrscheinlich angesteckt hat.
  • Die Daten sind anonymisiert dem RKI zu übermitteln.
  • Das BMG kann Änderungen in den Ausbildungen zu den Gesundheitsberufen vornehmen – etwa zur Dauer der Ausbildung oder zu digitalen Unterrichtsformen bzw. Prüfungen.
  • Die 375 Gesundheitsämter bekommen vom Bund 50 Millionen Euro. Die Ämter sollen sich damit digitaler aufstellen.
  • Altenpfleger erhalten einen gestaffelten Anspruch auf eine einmalige steuerfreie Sonderleistung (Corona-Prämie) von bis zu 1000 Euro. Länder und Arbeitgeber können aufstocken – auf bis zu 1500 Euro.
  • Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 können den Entlastungsbetrag von 125 EUR – abweichend von geltenden Vorgaben nach Landesrecht – auch anderweitig verwenden.
  • Für die Grippesaison 2020/2021 legt der Bund erstmals eine Impfstoffreserve an. Motivation ist die Sorge vor einem Zusammentreffen der Influenza und einer zweiten Welle des Coronavirus. (hom)
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