Modifikation der Corona-Politik

Statt Inzidenz: Regierung will mehr auf Hospitalisierungsquote schauen

Alltagsbeschränkungen wegen Corona sollen mehr von kritischen Belegungssituationen in den Kliniken abhängen; der Inzidenzwert bleibt aber wichtig. Gesundheitsminister Jens Spahn hat dazu nun eine Verordnung vorgelegt. Die DKG warnt vor einer weiteren Meldepflicht.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Eine steigende Inzidenz soll bei Gegenmaßnahmen gegen das Coronavirus nicht mehr so stark gewichtet werden, teilt ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn am Montag bei der Bundespressekonferenz mit. Derweil bevölkerten zahlreiche Menschen am Samstag die Fußgängerzone auf der Zeil. Frankfurt weist mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 20 bei den größten deutschen Städten die meisten Infektionen auf.

Eine steigende Inzidenz soll bei Gegenmaßnahmen gegen das Coronavirus nicht mehr so stark gewichtet werden, teilt ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn am Montag bei der Bundespressekonferenz mit. Derweil bevölkerten zahlreiche Menschen am Samstag die Fußgängerzone auf der Zeil. Frankfurt weist mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 20 bei den größten deutschen Städten die meisten Infektionen auf.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Berlin. Die Delta-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 sorgt weiterhin für Unruhe. Gleichwohl soll eine steigende Inzidenz bei Gegenmaßnahmen nicht mehr so stark gewichtet werden wie bisher. Als weiterer Parameter soll die Hospitalisierungsrate als Auslöser politischer Entscheidungen eine größere Rolle spielen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat dazu am Montag eine Verordnung vorgelegt, die am Dienstag in Kraft treten soll. Demnach müssen die Krankenhäuser künftig den Gesundheitsämtern Personen namentlich melden, die wegen COVID im Krankenhaus aufgenommen werden. Die „Ärzte Zeitung“ hatte bereit Ende Juni darüber berichtet.

Inzidenz wird nicht aufgegeben

Meldepflichtig sind außer dem feststellenden Ärzt auch die leitenden Ärzte der Krankenhäuser. Erfasst werden sollen unter anderem die Namen, Alter und Sero-Status in Bezug zu COVID-19 der Patienten, die in Krankenhäusern aufgenommen werden.

Zudem sollen auch Daten zur Überweisung, Aufnahme und Entlassung sowie der Impfstatus an das zuständige Gesundheitsamt übermittelt werden. Die Krankenhäuser müssen die Aufnahme wegen COVID auch dann melden, wenn der Patient bereits wegen seiner COVID-Erkrankung registriert ist.

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„Wir geben die Inzidenz als Entscheidungsgrundlage nicht auf, sondern wir fügen einen weiteren Indikator hinzu“, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn dazu am Montag vor der Bundespressekonferenz. „Das Impfen hat die Gesamtrechnung verändert“, ergänzte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Sprecher: Haben nie nur nach der Inzidenz geschaut

Die Anzahl der neu auftretenden COVID-Fälle je 100.000 Einwohner binnen einer Woche sei nie der einzige von der Politik betrachtete Parameter gewesen, sagte der Sprecher. Wenn nun die Hospitalisierungen stärker gewichtet würden, bedeute das keine Änderung der politischen Strategie. Impfen, Maske tragen, Abstand halten blieben auch weiterhin nötig.

Es sei klar, dass mit der steigenden Durchimpfungsrate – Stand Montag waren 42,6 Prozent der Menschen in Deutschland voll gegen COVID geimpft – und der sinkenden Testrate, die reine Inzidenz alleine kein geeigneter Messpunkt mehr sein könne. Die Inzidenz der Hospitalisierungen aufgrund von COVID sei dagegen ein wichtiger Indikator. Sie könne zusammen mit den Daten des DIVI-Registers Aufschlüsse über die Belastung des Gesundheitssystems liefern, hieß es bereits im Verordnungsentwurf Ende Juni.

DKG: Meldepflicht wenig hilfreich

Die DKG bezeichnete die Pläne, eine weitere Meldepflicht für die stationären Aufnahmen von Patienten mit COVID einzuführen, als „wenig hilfreich“. Die wichtigsten Daten würden ohnehin schon aufgrund der Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes an die Gesundheitsämter übermittelt.

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod im Zusammenhang mit COVID müssten somit bereits gemeldet werden. Die Meldungen enthielten bereits den Tag der Erkrankung, Tag der Diagnose, den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Infektion und Angaben zum Infektionsweg. Die mit einer weiteren Meldepflicht einhergehenden bürokratischen Lasten ohne Erkenntnisgewinn seien also vermeidbar.

Die Belegung der Intensivstationen und die Hospitalisierung von COVID-Patienten war seit Beginn der Reaktionen auf die Pandemie zusätzlich zur Inzidenz im Blick der politischen Entscheidungsträger. Ziel der Alltagseinschränkungen war immer auch, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Die Eskalation der Gegenmaßnahmen bis hin zum Lockdown stützte sich in der Regel auf die Sieben-Tage-Inzidenz. So griff die so genannte „Bundesnotbremse“ mit Maßnahmen bis hin zu nächtlichen Ausgangssperren bei einer Inzidenz von 100 in einem Landkreis, ab einer Inzidenz von 165 war kein Präsenzunterricht mehr möglich. Die Notbremse ist Ende Juni ausgelaufen.

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums hat am Montag zudem Spekulationen darüber zurückgewiesen, es könne zum kommenden Schuljahr eine Impfpflicht für Lehrer und Erzieher geben. Gesundheitsminister Spahn habe sich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. „Und dabei bleibt es“, sagte der Sprecher.

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