Suchtbekämpfung
Strategien gegen Drogen, Daddeln & Co gesucht
Die größte europäische Konferenz auf dem Gebiet der Abhängigkeiten startet am 23. Oktober in Lissabon. Prominent auf der Tagesordnung stehen Themen wie das Cannabis-Schadenspotenzial oder die Therapie bei Kokainsucht.
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1300 Teilnehmer aus mehr als 80 Ländern debattieren um Trends und Prognosen bezüglich illegaler Drogen, Alkohol, Tabak, Glücksspiel und weiterer Suchtkrankheiten.
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Lissabon. Als erstes Land in Europa plant Luxemburg, sowohl den Anbau, Verkauf und Konsum von Cannabis zu erlauben. Es wird nach dem besten Modell gesucht.
Die Erfahrungen mit der Legalisierung sind unterschiedlich: Verzeichnete Kanada nach der Legalisierung im Oktober vergangenen Jahres einen rasanten Anstieg der Cannabis-Erstkonsumenten, ging deren Zahl nach einer ersten Bilanz in verschiedenen US-Bundesstaaten sogar eher zurück.
In Deutschland könnte der Staat jährlich 2,66 Milliarden Euro über Einsparungen, Steuern und weitere Abgaben erzielen, wenn er den Cannabiskonsum legalisierte, rechnete vergangenes Jahr ein Autorenkollektiv unter Leitung des Wirtschaftswissenschaftlers Professor Justus Haucap von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität vor – in einer Untersuchung im Auftrag des Deutschen Hanfverbandes.
Hanf-Legalisierung ja oder nein – das ist nur eine der zentralen Fragen der am 23. Oktober in Lissabon beginnenden „Third European Conference on Addictive Behaviours and Dependencies“. Bei der „Lisbon Addictions 2019“ handelt es sich nach Auskunft der mitausrichtenden Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) um die europaweit größte Konferenz auf dem Gebiet der Abhängigkeiten.
1300 Teilnehmer aus mehr als 80 Ländern debattieren um Trends und Prognosen bezüglich illegaler Drogen, Alkohol, Tabak, Glücksspiel und weiterer Suchtkrankheiten. Laut EMCDDA sollen unter anderem geeignete gesundheits- und drogenpolitische Strategien identifiziert werden, die den Kampf gegen Sucht effektiver machen können.
Gesundheitsschädliches Potenzial im Blick
Die Diskussion um Cannabis rund um den Globus dreht sich zunehmend unter positiven medizinischen Gesichtspunkten wie der Schmerzlinderung. Dr. Mercè Balcells-Olivero von der Universität in Barcelona will dagegen in ihrem Panel den Fokus auf die potenziell negativen Folgen des Graskonsums legen. Balcells-Oliveiro weist darauf hin, dass der negative Einfluss des Hanfgebrauchs auf Entstehung und Verlauf psychischer Krankheiten auf dem Radar der Wissenschaft ist.
Andere potenziell negative Wirkungen der Droge genössen bei Forschern aber weit weniger Aufmerksamkeit. Denn Hanfkonsum könne auch im Zusammenhang mit somatischen, mentalen sowie physischen Beeinträchtigungen als kausal angesehen werden. Das gelte sogar für bestimmte onkologische Krankheitsbilder.
In Lissabon soll es auch darum gehen, wie Ärzte zum Beispiel unter Verwendung von Biomarkern die zerebrale Funktion bei Cannabis-Konsumenten überwachen können. Das gelte im Hinblick auf den Ausprägungsgrad, die Behandlung sowie die Reha bei cannabisbedingten Störungen.
Die im Juni veröffentlichten Studie „Intellectual Property Crime – Threat Assessment 2019“ des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und Europol hat gezeigt, dass speziell im Drogensektor zunehmende Ströme nach Europa zu verzeichnen sind. Laut Analyse der EMCDDA wird Europa gerade mit Kokain höchsten Reinheitsgrades geflutet, der Konsum steige.
Gleichzeitig sei auch die Zahl der Abhängigen gestiegen, die eine ärztliche Behandlung ihrer Kokainsucht wünschten. Die Zahl der Kokain-Konsumenten, die erstmalig in ihrem Leben eine Therapie wünschten, sei zwischen 2008 und 2014 um rund 20 Prozent gestiegen – auf 4000 Betroffene. Bei der Konferenz soll nun die Bedarfssituation für Kokainentwöhnungstherapien in neun Ländern – darunter auch Deutschland – vorgestellt werden.
Digital Health für Lebensstiländerungen
In einem speziellen Workshop geht es um sogenannte „Gamified Digital Health Solutions“. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Videospiele, die dem Benutzer Gesundheitsanreize vermitteln.
Diese Angebote sollten vor allem bei der Zielgruppe der 18- bis 25-jährigen Spielsüchtigen zur Anwendung kommen, die von der Wissenschaft eher vernachlässigt würden. Das Format entspreche den Bedürfnissen der jungen Patienten und könne so die Adhärenz steigern.
Nicht zuletzt geht es in Lissabon darum, welche nationalen Präventionsstrategien sich bei welchen Abhängigkeiten bewähren. In einem Panel beim Kongress sollen unterschiedlichste Präventionsansätze unter die Lupe genommen werden. Genau hinzusehen dürfte sich auch hier lohnen.