Wirkungslos, aber teuer

Streit über Homöopathie als Kassenleistung

Obwohl homöopathische Therapien laut Studien keine Wirkung besitzen, zahlen viele Krankenkassen sie. Damit müsse Schluss sein, fordern Kritiker – und sagen, dass viele Bürger Kassen ohne Homöopathie-Erstattung wünschen.

Von Hinnerk Feldwisch-Drentrup Veröffentlicht:
Globuli in großen Mengen: Unter #KrankenkasseOhneHomöopathie formiert sich auf Twitter Wiederstand gegen die Kügelchen.

Globuli in großen Mengen: Unter #KrankenkasseOhneHomöopathie formiert sich auf Twitter Wiederstand gegen die Kügelchen.

© micha / Fotolia

BERLIN. Quecksilber, Pflanzenteile, Hundekot: Hochverdünnte Stoffe sollen Krankheiten heilen oder zumindest lindern können, glauben Anhänger der Homöopathie. Kaum eine Therapieform ist derart umstritten. Viele Patienten versprechen sich eine sanfte Heilung durch Zuckerkügelchen oder Tropfen, während Wissenschaftler warnen: Globuli besitzen keine Wirkung, sondern stellen nur eine Schein-Behandlung dar.

Kassen dürfen eigentlich nur die Kosten von anerkannt wirksamen Therapien erstatten, doch für Homöopathie hat der Gesetzgeber Sonderregeln geschaffen. Sie müssen ihre Wirksamkeit nicht unter Beweis stellen.

In den sozialen Medien tobt schon lange ein Streit in dieser Frage, der in den letzten Monaten weiter Fahrt aufgenommen hat. So erregte der bayerische Hals-Nasen-Ohren-Arzt Christian Lübbers mehrfach deutschlandweit Aufmerksamkeit: Er twitterte im Januar dieses Jahres über ein Kind mit eitriger Mittelohrentzündung, bei dem er Globuli im Gehörgang fand.

Auch setzt sich Lübbers zusammen mit dem Informationsnetzwerk Homöopathie dafür ein, dass gesetzliche Krankenkassen die Therapien nicht mehr bezahlen.

TK zieht sich aus Gespräch zurück

Mehrere Kassen mischen in den Diskussionen mit – eine entzog sich nun dem Austausch. "Völlig überraschend" habe "eine der größten deutschen Krankenkassen" ein bereits vor Wochen vereinbartes Gespräch über die Zukunft der Homöopathie-Erstattung abgesagt, erklärte das Netzwerk in einer Mitteilung Ende vergangener Woche.

"Geplant war ein dreistündiges Gespräch mit der hohen Verwaltungsebene", sagt Lübbers. Ein "konstruktiver Meinungsaustausch" habe die Vor- und Nachteile abwägen sollen.

Die Techniker Kasse offenbarte bei Twitter später selbst, dass sie das Treffen abgesagt hatte. Warum? Ein Sprecher erklärte auf Anfrage, die Kasse habe bemerkt, "dass eine Veröffentlichung der Gesprächsergebnisse beabsichtigt war". "Dies entsprach nicht unserem Verständnis des geplanten Gesprächs."

#KrankenkasseOhneHomöopathie

Aus Sicht des Informationsnetzwerks Homöopathie zeigt die unter dem Stichwort rankenkasseOhneHomöopathie erzielte Resonanz, dass der Wunsch nach Kostenübernahme für Homöopathie "durchaus nicht so umfassend verbreitet ist", wie es Interessenvertreter oft behaupteten: "Im Gegenteil zeigte sich sogar, dass viele Patienten gern zu einer Krankenkasse ohne Homöopathie-Erstattung wechseln würden."

Das Informationsnetzwerk verweist zudem auf eine Studie von Forschern der Charité: Diese haben anhand von Langzeit-Daten der Techniker Krankenkasse errechnet, dass homöopathisch behandelte Patienten höhere Kosten verursachen als mit herkömmlichen Methoden therapierte. Als ein potenzieller Grund gilt die Verschleppung von Krankheiten bei alleiniger Therapie mit Homöopathika.

Für Gesundheitspolitiker ist die Homöopathie ein heikles Thema. "Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen", erklärte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach noch im Jahr 2010. "Keine Äußerung zur Homöopathie", heißt es nun aus seinem Büro.

Der SPD-Landesparteitag hatte im Mai gleichfalls ein Ende der Kostenerstattung gefordert. Außerdem solle es ähnlich wie seit kurzem in den USA Warnhinweise über fehlende Wirknachweise auf den Mitteln geben, da "weder ein sinnvolles Erklärungsmodell noch eindeutige Nachweise einer Wirksamkeit vorliegen", heißt es in dem Antrag. Der SPD-Bundesparteitag überwies ihn an die Bundestagsfraktion.

IQWiG: "Scheintherapien"

Für Jürgen Windeler vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), zuständig für die Wirksamkeits-Prüfung von Therapien, ist klar, dass die hochverdünnten Homöopathika nur Scheintherapien sind: "Menschen verstehen nicht, warum sie ihre Brille selber zahlen müssen – und gleichzeitig erstatten die Kassen Homöopathie", sagt er.

"Krankenkassen glauben ja selber nicht an den Nutzen dieser Verfahren." Tatsächlich argumentieren Kassen praktisch nie mit guten Daten zur Wirksamkeit von Homöopathika. Stattdessen unterstreichen sie die Nachfrage: So verweist die Techniker Krankenkasse auf Kundenbefragungen, die gezeigt hätten, dass "manche Versicherte" sich "sogenannte komplementärmedizinische Angebote" wünschen.

Die Boom-Zeiten des in Deutschland über eine halbe Milliarde Euro schweren Homöopathie-Marktes sind womöglich ohnehin vorbei. Noch vor wenigen Jahren stiegen die Zahlen der verkauften Packungen nach Angaben der Pharma-Marktforschungsfirma IQVIA um jährlich bis zu 10 Prozent, doch 2016 brach die Absatzsteigerung auf nur noch 0,3 Prozent ein.

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden rund 3 Prozent weniger Homöopathika verkauft. Ärzte verschrieben 13 Prozent weniger homöopathische Mittel auf Kassenrezept als im Vorjahreszeitraum. (dpa)

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Kommentare
Siegfried Hauswirth 27.02.201808:01 Uhr

Peanuts ?

Dass Homöopathika nicht besser wirken als Placebos ist durch sehr viele Studien hinreichend belegt. Es werden jährlich 500 Mio. Euro für Homöopathika ausgegeben. Für Zuckerkügelchen oder Tropfen ohne Wirkstoffe ist das sehr viel Geld. Klar, dass hier auch die Hersteller kein Interesse daran haben, dass die Krankenkassen hier keine Kosten mehr übernehmen wollen. 500 Mio. Euro mögen zwar im Vergleich zu Gesamtbudget wenig sein. Diese "Peanuts" sollten besser in wirksame Therapien, investiert werden.

Stefan Blüggel 26.02.201813:46 Uhr

Oberflächlich

"Laut Studien" lässt sich ebenfalls eine Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen . Es gibt mehr positive als negative Studien . Sonst hätten die Krankenkassen sie auch nicht ins Programm genommen . Im übrigen sollen die Kosten für Homöopathie bei ca. 0,02 % der Gesamtkosten betragen. Finanztechnisch peanuts , aber häufig öffentlich aufgebauscht um sich zu profilieren , das wird jedoch eher nach hinten losgehen , mehr als jeder Zweite ( ca. 60% ) möchte homöopathische Behandlung als Option . Ca. 50% d. Patienten haben sich schon homöopathisch behandeln lassen.

Rudolf Hege 18.12.201715:25 Uhr

Wissenschaft und Homöopathie?

Interessanter Beitrag zum Thema: http://www.homöopathie-forschung.info/easac/

(insbesondere die Cochrane-Einschätzung der belegten Wirkung von konventionellen Therapien...)

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