Generalistik

Streithähne sind unversöhnlich

Die geplante Einführung einer generalistischen Ausbildung in der Pflege führt im Vorfeld der Bundestagsdebatte zu Nervosität.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Karl-Josef Laumann (CDU) fühlt sich kerngesund und meint nicht, dass er zum Arzt müsse, nur weil er für die Generalistik steht.

Karl-Josef Laumann (CDU) fühlt sich kerngesund und meint nicht, dass er zum Arzt müsse, nur weil er für die Generalistik steht.

© Matthias Balk / dpa

BERLIN. Mit scharfen Angriffen gegen Teile der Arbeitgeberschaft in der Pflege ist am Donnerstag der Deutsche Pflegetag in Berlin gestartet. Die Gegner der generalistischen Ausbildung in der Pflege säßen dort, wo keine Tariflöhne gezahlt würden, sagte der Pflegebeauftragte der Bundesregierung Karl-Josef Laumann (CDU). "Menschen, die keine Tarifverträge wollen, meinen es nicht gut mit der Pflege", legte Laumann bei der Eröffnungspressekonferenz des Pflegetags nach.

Spitze Pfeile in Richtung Gröhe und Laumann

Im Vorfeld der ersten Lesung des Pflegeberufsgesetzes am 18. März im Bundestag schenken sich Befürworter und Gegner eines neuen Pflegeberufsbildes nichts mehr. Das Vorhaben werde bei den ambulanten Pflegediensten und kleineren Heimen Ausbildungsplätze vernichten, hieß es am Donnerstag vom Berufsverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa).

 Das Gesetz solle mit manipulierten Zahlen durchs Parlament gepeitscht werden, hatte der Arbeitgeberverband Pflege in dieser Woche auf seiner Internetseite verbreitet. Unterstützt werde die Reform vor allem von den "großbürokratischen Multis von Caritas und Diakonie und ihrem Lautsprecher Andreas Westerfellhaus vom Deutschen Pflegerat", zitierte die Seite den Präsidenten des Verbandes, Thomas Greiner.

Die Wahrheit sei, dass die generalistische Pflegeausbildung von tausenden kleinen und mittleren Unternehmen aus der privaten Pflegewirtschaft abgelehnt werde. Sie verträten 60 Prozent der ambulanten und 40 Prozent der stationären Pflege.

"Wer angesichts dieser Zahlen behauptet, die Pflegenden würden voll hinter der Reform stehen, der sollte zum Arzt gehen und sich auf seine Wahrnehmungsfähigkeit untersuchen hin lassen", jagte Greiner auch in Richtung Laumann und Gesundheitsminister Gröhe (CDU) spitze Pfeile los.

Pflegerat fordert Tempo bei Bildung der Bundespflegekammer

Der angesprochene Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates, forderte, die Verkammerung der Pflegeberufe durch die Bildung einer Bundespflegekammer zu forcieren. Spätestens 2017 solle eine Bundespflegekammer die Arbeit aufnehmen.

 Bislang gibt es lediglich in Rheinland-Pfalz eine arbeitsfähige Pflegekammer. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind Kammern in der Gründungsphase. Eine Bundespflegekammer wäre wie die Bundesärztekammer keine Körperschaft öffentlichen Rechts.

 Westerfellhaus nannte die Forderung aus dem Bundesrat, die Reform der Pflegeausbildung ein Jahr später, also 2019, starten zu lassen skandalös". Die Länder hätten sich schließlich in der Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft gemeinsam auf die Generalistik verständigt.

Kritik an Finanzierung

AOK-Chef Martin Litsch kritisierte den geplanten Finanzierungsmodus der generalistischen Ausbildung. Die Finanzierung über 16 Ausbildungsfonds sei kompliziert, bürokratisch und führe zu Doppelstrukturen, sagte Litsch.

 Er plädiere für eine Finanzierung analog zur Dualen Berufsausbildung. Das aktuell vorgesehene Modell führe dazu, dass die Heimbewohner an der Finanzierung der Ausbildung beteiligt würden. Die Länder dagegen könnten sich weitgehend aus der Finanzierungsverantwortung stehlen.

Qualitätsverluste durch die Einführung der Generalistik befürchtet die Fraktion der Grünen im Bundestag. Ein neues Berufsbild und flexiblere Einsatzmöglichkeiten für danach ausgebildete Pflegekräfte würden nicht erreicht, indem man Qualifikationen schleife, meldete sich die pflegepolitische Sprecherin der Grünen Elisabeth Scharfenberg am Donnerstag zu Wort.

 Nur eine Pflegekraft mit spezifischem Wissen in ihrem Bereich sei eine selbstbewusste Pflegekraft. Die von Herrn Laumann erwähnten möglichen Spezialisierungen innerhalb des generalistischen Curriculums beständen nach derzeitigem Stand lediglich in einem "Vertiefungseinsatz" in der praktischen Ausbildung.

"Das ist zu wenig", sagte Scharfenberg. In der vergangenen Woche hatte die Regierung Eckpunkte für eine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zum Pflegeberufsgesetz vorgelegt.

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