Forderung nach Überwachung von Lieferketten

Studie: Brexit-Folgen verschärfen Arzneimittelknappheit in Großbritannien

Der Kampf gegen Arzneimittelknappheit ist in Großbritannien nach dem Brexit schwieriger geworden. Zu diesem Schluss kommt ein Studie. Das Gesundheitsministerium hält die Lage nicht für dramatisch.

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Vor allem Antibiotika und Arzneimittel gegen Epilepsie fehlen in britischen Apotheken, heißt es. Die Regierung müsse gegensteuern, fordert die Denkfabrik Nuffield Trust.

Vor allem Antibiotika und Arzneimittel gegen Epilepsie fehlen in britischen Apotheken, heißt es. Die Regierung müsse gegensteuern, fordert die Denkfabrik Nuffield Trust.

©  Niall Carson/Press Association/dpa

London. Der Mangel an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Großbritannien ist inzwischen „chronisch“ und wird „durch den Brexit deutlich verschlimmert“. Zu diesem Ergebnis kommen Experten des Nuffield Trust, einer international angesehenen Denkfabrik, in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie.

Britische Haus- und Klinikärzte sind inzwischen fast täglich in ihren Sprechstunden mit dem Problem konfrontiert, dass nicht genug verschreibungspflichtige Arzneimittel verfügbar sind. Derzeit besonders knapp: Präparate zur Therapie von Epilepsie, ADHD und Typ 2-Diabetes. „Ich kann viele meiner Patientinnen und Patienten nicht länger optimal medikamentös therapieren“, sagt eine Londoner Hausärztin gegenüber der „Ärzte Zeitung“.

Engpässe haben deutlich zugenommen

Britische Apothekerinnen und Apotheker im Königreich berichten, dass sie täglich oft mehrere Stunden ihrer Arbeitszeit damit verbringen, bestimmte Präparate zu beschaffen. „Früher war das alles kein Problem“, so eine Sprecherin des Apothekerverbandes National Pharmacy Association (NPA), der landesweit rund 7.000 nicht zu einer Kette gehörende Offizine repräsentiert.

In Zahlen: Laut Nuffield Trust meldeten Pharmaunternehmen im vergangenen Jahr insgesamt 1.634 Versorgungsengpässe bei diversen Pharmaka. Damit hat sich die Zahl der Engpässe seit 2020 mehr als verdoppelt. Im Jahr 2020 gab es laut Studie landesweit 648 solcher Mangelmeldungen.

Logistikketten wurden durch EU-Austritt unterbrochen

Besonders interessant ist, was die Gutachter zum Thema Brexit und wie dieser die Versorgungsengpässe im Königreich noch verschlimmert hat, sagen. „Großbritanniens EU-Ausstieg hat die Versorgungslage deutlich erschwert.“ Der Brexit habe Logistikketten, die zuvor reibungslos funktionierten, „unterbrochen“ – mit fatalen Folgen für Patientinnen und Patienten.

Die Zulassung neuer und Therapiefortschritt bringender Arzneimittel verlaufe im Königreich schleppender als in der EU. Und zusätzliche Handelsschranken hätten zahlreiche Pharmahersteller sogar dazu veranlasst, das Königreich überhaupt nicht mehr zu beliefern.

Gutachter: Mangel gefährdet Menschenleben

„Großbritannien hat an seiner Attraktivität als Lieferland durch den Brexit deutlich verloren. Wir rangieren heute hinter den USA und der EU, und dies macht uns noch anfälliger für zukünftige Knappheiten“, stellte der Pharmaexperte Dr. Andrew Hill (Universität Liverpool) gegenüber Journalisten kritisch fest. Die Leidtragenden seien in erster Linie Patientinnen und Patienten in Großbritannien.

Die Gutachter gehen sogar noch einen Schritt weiter: Die Versorgungsengpässe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gefährdeten inzwischen sogar Patientenleben und die Engpässe seien „chronisch und von Dauer“.

Das Gesundheitsministerium sagte dagegen: „Es gibt etwa 14.000 lizenzierte Medikamente und bei der überwältigenden Mehrheit besteht eine gute Versorgung.“ (ast/dpa)

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