Kleinkind-Impfungen

TK-Chef Baas: Eltern sind keine „fanatischen Impfgegner“

Die Hälfte der Kinder in Deutschland wird in den ersten beiden Lebensjahren komplett durchgeimpft, berichtet die Techniker Krankenkasse. Einen Corona-Effekt verzeichnet die Kasse bei Arzneiverordnungen für Kinder.

Veröffentlicht:
Jedes zweite Kind erhält alle von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen. Eltern vergessen aber öfter mal Zweit- und Auffrischungsimpfungen.

Jedes zweite Kind erhält alle von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen. Eltern vergessen aber öfter mal Zweit- und Auffrischungsimpfungen.

© Dmitry Naumov/ stockadobe.com

Berlin. Rund die Hälfte der Kleinkinder (48,4 Prozent) erhält bereits in den ersten beiden Lebensjahren alle 13 der in diesem Alter von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen. Lediglich 3,2 Prozent seien gar nicht geimpft.

Das geht aus dem aktuellen Report „Kinder und Arzneimittel“ der Techniker Krankenkasse (TK) hervor.

Das sei eine „schöne Größenordnung“, kommentierte TK-Chef Dr. Jens Baas das Ergebnis bei der virtuellen Pressekonferenz am Mittwoch. Die geringe Zahl der komplett ungeimpften Kinder weise darauf hin, dass es wenige „fanatische Impfgegner“ unter den Eltern gebe.

Zweit- und Auffrischungsimpfungen allerdings würden bei vielen vergessen oder übersehen. Dies biete hinreichend Gründe, ein „klügeres Impfmanagement“ zu implementieren. Digitalisierung könne dabei helfen. Gängige Impfquotenziele erreicht Deutschland aktuell nicht.

Lesen sie auch

Impfpflicht gegen Masern wirkt

Ins Auge fällt die Entwicklung bei den Masernimpfungen. Waren von den 2016 geborenen Kindern noch 7,3 Prozent bis zum zweiten Geburtstag nicht gegen Masern geimpft, finden sich bei den 2018 geborenen Kindern nur noch 5,8 Prozent und von den im ersten Halbjahr 2019 Geborenen nur noch 4,7 Prozent nicht gegen Masern geimpfte Kinder (siehe nachfolgende Grafik).

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

„Hier könnte die seit März 2020 geltende Impfpflicht für Kindergarten- und Schulkinder bereits eine Rolle spielen“, sagte Jens Baas. Ähnlich entwickelt haben sich wegen der Kombination mit Masern die Impfquoten gegen Mumps und Röteln.

Corona-Effekt bei Verordnungen

Die am Mittwoch vorgestellten Daten zeigen einen deutlichen Corona-Effekt. So seien den von der TK versicherten Kindern im ersten Pandemiejahr 2020 insgesamt 40 Prozent weniger Arzneimittelpackungen verschrieben worden.

Dies betraf die am häufigsten verordneten Wirkstoffe wie Ibuprofen und Paracetamol, Präparate gegen Erkältungen wie Xylometazolin, Ambroxol und Efeublätter sowie Colecalciferol zum Knochenaufbau.

„Ein drastischer Rückgang“, kommentierte Tim Steimle, Leiter des Fachbereichs Arzneimittel der TK, die Entwicklung. Bekamen vor der Pandemie noch 45 Prozent der Kinder mindestens eine Verordnung über Schmerz- und Fiebermittel im Jahr waren es im ersten Pandemiejahr nur 29 Prozent. Im gleichen Zeitraum habe sich ein „Trend weg vom Arzt, hin zur Apotheke“ ausmachen lassen, sagte Steimle.

Trend weg von der Arztpraxis

Die Vertreter der TK mahnten bei der Vorstellung des Reports zu Vorsicht bei der Einnahme von freiverkäuflichen Schmerzmitteln oder Nasensprays.

„Wir wissen aus Studien, dass Medikationsfehler bei Kindern viel häufiger vorkommen als bei Erwachsenen, etwa in Form von Unter- und Überdosierungen“, sagte Professorin Antje Neubert, Leiterin der Zentrale für klinische Studien in der Pädiatrie am Universitätsklinikum Erlangen. „Halbes Gewicht ist nicht gleich halbe Dosis“, betonte die Wissenschaftlerin.

Um die Sicherheit der Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern zu verbessern, bedürfe es mehr Studien bei Innovationen und tiefer gehenden Analysen im Bestandsmarkt, sagte Neubert. Die stießen allerdings auf zahlreiche Hürden: Die Patientenpopulationen seien oft klein. Die Eltern müssten überzeugt werden und der Zeitaufwand sei immens.

„Für die pharmazeutischen Unternehmer ist das oft nicht lukrativ“, betonte die Wissenschaftlerin. Ärzten mehr Versorgungssicherheit könne die aus einem Innovationsfondsprojekt hervorgegangene Webseite „kinderformularium.de“ bieten, sagte Neubert. (af)
Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kausaler Zusammenhang gesucht

Werden Jugendliche nach Hirnverletzungen öfter kriminell?

Gute Nachrichten des Jahres 2024

Positiver Jahresrückblick: Impferinnerungen via App

Aufarbeitung

Sachsen setzt Enquete-Kommission zu Corona ein

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Mann mit Pflaster auf Oberarm gibt Daumen-hoch-Zeichen

© U_Photo / Shutterstock

Impflücken bei Chronikern

Senkung von Morbidität und Mortalität durch bessere Vorsorge

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Tab. 2: Schlaf bei Kindern nichtpharmakologisch optimieren

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach Angaben von Prof. Dr. Christian F. Poets und [6]

Einschlafstörungen und Melatonin

Was braucht es für einen gesunden Schlaf bei Kindern und Jugendlichen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: P&G Health Germany GmbH, Schwalbach am Taunus
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

© Springer Medizin Verlag GmbH

Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025