Tag der Organspende
Transplanteure auf der Suche nach Erfolg
Wundenlecken war einmal: Die Transplanteure wollen ihr Fach umbauen - für mehr Qualität, Transparenz und am Ende womöglich mehr Erfolg als heute.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Sie haben genug davon, ihre eigenen Wunden zu lecken: Fast zwei Jahre nach dem Bekanntwerden der Skandale bei der Organvergabe herrscht unter den Transplantationsmedizinern fast so etwas wie Aufbruchstimmung. Sie wollen losmarschieren, ihr eigenes Fach verbessern, an der Qualitätsschraube drehen - und ihr Bild in der Öffentlichkeit revidieren.
Und sie wollen die nicht ganz unwesentliche Frage stellen, welche Patienten eigentlich geeignet sind für welches Organ. Sie ist reichlich essenziell. Denn sie berührt nicht nur die Grundfesten des deutschen Transplantationswesens (die Stichworte "Erfolgsaussicht" und "Dringlichkeit" sind der hiesige normative Rahmen), sie könnte sogar die Art der Organzuteilung revolutionieren. Manche glauben, das sei dringend nötig.
Doch der Wandel wird den transplantierenden Chirurgen und ihren internistischen Kompagnons nicht ganz leicht gemacht, wie jüngst auf dem 6. Transplantationssymposium von Astellas in München deutlich wurde.
Vor allem vermissen sie Rückendeckung aus der Politik und von Entscheidungsträgern. "In Deutschland fehlen die Meinungsbildner von außerhalb der Transplantation, die den Schalter zum Positiven drehen", sagte Professor Xavier Rogiers aus dem belgischen Gent.
In Belgien würden Politiker offensiv für mehr Transplantationen werben, während in Deutschland immer erst einmal die negativen Seiten beleuchtet würden.
Diesen Befund teilte auch Professor Björn Nashan vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Der Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) zeigte sich besorgt, dass kaum Rückhalt aus der Politik käme. "Wir sind auf uns alleine gestellt", sagte Nashan.
"Wir müssen aus dem Problem das Beste machen und das System aktiv ändern, also auf die Akteure zugehen." Seinen Kollegen rief er ins Gewissen, dass die Transplantationsmedizin sich selbst organisieren müsse.
Dazu zählt für ihn etwa das beständige Werben um eine entsprechende Zusatzbezeichnung Transplantationsmedizin in der Musterweiterbildungsordnung. Nach Schilderungen von Dr. Helmut Arbogast vom Klinikum der Uni München scheint die bitter nötig. Denn nach seiner Analyse gehen bei der Entnahme jedes Jahr wertvolle Organe verloren - wegen iatrogener Fehler.
Arbogast: "Wir haben im Entnahmedienst offenbar zu viele Kollegen, die nicht wissen, was sie tun." Helfen soll etwa bei Pankreata künftig eine selbst aufgelegte Zertifizierung für die explantierenden Ärzte.
Organisieren wollen die Transplanteure sich auch beim Thema Qualität. Dort liegt in der Binnenwelt einiges im Argen. "Ziemlich enttäuscht" ist DTG-Präsident Nashan darüber, dass selbst große Zentren noch "nie" Qualitätsdaten gemeldet haben. "Aber gerade von ihnen werden Vorstöße gemacht, alles anders zu machen."
Professor Bernhard Banas von der Uniklinik Regensburg pflichtet ihm bei: Selbst auf Nachfrage würden manche Kliniken für die verpflichtenden Qualitätsberichte nur leere Datensätze an das AQUA-Institut schicken. Banas: "Da fühlt man sich echt veräppelt."
Die Hoffnung der Transplanteure ist deswegen das geplante Transplantationsregister, das jedoch erst Jahre nach dem Start Ergebnisdaten liefern wird. Dann aber lässt sich ablesen, welche Kriterien der Organzuteilung für bessere Ergebnisse sorgen.
Und dann steht die Debatte nach Erfolgsaussicht oder Dringlichkeit ins Haus. Bislang verlangt das Transplantationsgesetz beides, doch bei Lebern etwa wird oft nur nach Dringlichkeit transplantiert. Die Transplanteure suchen daher selbst die Diskussion, nur sie wollen sie nicht alleine führen.
Der Ethikrat als maßgeblich empfehlendes Gremium hat sich mit der Frage bisher nicht beschäftigt. Die Probleme: wenig Kapazitäten und ein fehlender Auftrag der Politik. Nun haben die Transplanteure aber den Kontakt zum Rat gesucht, auf dass ihre Debatte bald auf die Agenda kommt. (nös)