Transplantationsmedizin

UKSH-Studie meldet Zweifel an der Gerechtigkeit bei der Organverteilung an

Werden die Allokationsregeln für die Verteilung von Spenderorganen den gesetzlichen Vorgaben gerecht? Eine Studie des UKSH wirft Fragen auf.

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Eine Analyse des UKSH von knapp 20.000 Nierentransplantationen deutet auf Ungerechtigkeiten bei der Vergabe der Spenderorgane hin.

Eine Analyse des UKSH von knapp 20.000 Nierentransplantationen deutet auf Ungerechtigkeiten bei der Vergabe der Spenderorgane hin.

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Kiel. Eine Studie des UKSH deutet auf Ungerechtigkeiten bei der Vergabe von Spenderorganen hin. Die Studienautoren von der Klinik für Innere Medizin IV mit den Schwerpunkten Nieren- und Hochdruckkrankheiten am UKSH in Kiel hinterfragen insbesondere die Auswirkungen der Altersgrenzen auf die Wartezeiten.

„Unsere Untersuchung zeigt, dass die im Regelwerk vorgesehenen Altersgrenzen erhebliche und zunehmend problematische Auswirkungen auf die Wartezeiten haben. Diese Ungleichheiten legen aus ethischer und rechtlicher Sicht nahe, das geltende Regelwerk zur Allokation von Nierentransplantaten zu überarbeiten und anzupassen“, sagt Studienletztautor Dr. Kevin Schulte, der auch stellvertretender Klinikdirektor ist.

Signifikante Unterschiede bei den Wartezeiten

Erstautor ist Dr. Benedikt Kolbrink, ebenfalls Arzt aus der Klinik für Innere Medizin IV. In die Analyse sind Datensätze von 19.664 Nierentransplantationen aus dem nationalen Transplantationsregister einbezogen worden. Sie ergab laut einer Mitteilung des UKSH signifikante Unterschiede in den Wartezeiten und den Transplantationsraten zwischen verschiedenen Altersgruppen. Im aktuellen Regelwerk gibt es zwei Altersgrenzen – den 18. und den 65. Geburtstag –, die erheblichen Einfluss auf die Wartezeit haben.

Ein Beispiel: Ein Jugendlicher, der mit 16 Jahren dialysepflichtig wird, könnte wegen des pädiatrischen Bonus und weiterer günstiger Umstände bis zum 18. Lebensjahr transplantiert werden. Ein Gleichaltriger, der bis zum 18. Lebensjahr kein Spenderorgan erhält, verliert nach den derzeitigen Allokationsregeln der Eurotransplant International Foundation die aus dem pädiatrischen Bonus resultierenden Zusatzpunkte komplett. Als Folge nimmt seine Wartezeit sprunghaft um fünf Jahre zu. „Statistisch wird er also mehr als fünf Jahre später transplantiert als der andere Jugendliche“, verdeutlicht Kolbrink.

Durchschnittliche Wartezeit beträgt 5,8 Jahre

Im Durchschnitt beträgt die Wartezeit auf eine Niere zum Zeitpunkt der Transplantation 5,8 Jahre, allerdings mit erheblichen Abweichungen zwischen den Altersgruppen. Für Patientinnen und Patienten unter 18 Jahren liegt die mediane Wartezeit laut UKSH bei 1,7 Jahren, während 18- bis 64-Jährige im Schnitt sieben Jahre warten müssen. Personen ab 65 Jahren erhalten im Median nach 3,8 Jahren eine Transplantation.

Als Folge der aktuellen Regeln gibt es überproportional viele 65- und 66-jährige Organempfänger. 65-Jährige werden fast viermal häufiger transplantiert als 64-Jährige. Zudem konnten die Autoren nachweisen, dass die Differenz der Wartezeit zwischen Personen unter 65 Jahren und Personen über 65 Jahren weiter ansteigt: In den Jahren 2006 bis 2010 lag sie bei 2,6 Jahren, im Zeitraum 2017 bis 2020 bei 4,1 Jahren. Wachsende Ungleichheiten existieren ebenfalls an der Altersgrenze zum 18. Lebensjahr.

Erfolgsaussicht und Dringlichkeit sind die wichtigsten Kriterien

„Derartig sprunghafte Veränderungen sind medizinisch weder sinnvoll noch begründbar“, betont Schulte. Da das Transplantationsgesetz vorgebe, dass die Allokationsregeln vordringlich Erfolgsaussicht und Dringlichkeit berücksichtigen müssten, werfen die Daten aus Sicht der Studienautoren die Frage auf, ob das geltende Regelwerk den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. „Unsere Analyse hat ethische und rechtliche Implikationen: Aus ethischer Sicht muss das Regelwerk die individuelle Chancengerechtigkeit der Wartenden und den gesellschaftlichen Nutzen der verfügbaren Organe austarieren. Scharfe Altersgrenzen und sich sprunghaft verändernde Wartezeiten werden nach unserem Verständnis weder dem einen, noch dem anderen gerecht“, so Schulte.

Veröffentlicht wurde die Studie „Allokationsregeln und altersabhängige Wartezeit bei Nierentransplantationen – Eine Analyse aus dem nationalen Transplantationsregister“ im Deutschen Ärzteblatt. (di)

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