Debatte

Union hält Sterbehilfegesetz am Leben

An der Sterbehilfe scheiden sich in der Koalition die Geister. Bei der Suche nach der richtigen Position hat die Union jetzt Einigungsbereitschaft signalisiert - mit Bedingungen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Sterbende Menschen brauchen Zuwendung und Linderung ihrer Leiden.

Sterbende Menschen brauchen Zuwendung und Linderung ihrer Leiden.

© Dean Pictures / imago

BERLIN. In die Debatte um das geplante Sterbehilfegesetz kommt eventuell noch einmal Bewegung. Die Pressestelle der Unionsfraktion bestätigte der "Ärzte Zeitung", dass die Christdemokraten versuchen wollen, im Gespräch mit der FDP zu bleiben.

Dies sei das Ergebnis einer offenen Fraktionssitzung am Dienstagabend in Berlin mit Fachleuten aus der Ärzteschaft, der Kirchen und Juristen. Noch seien die Gespräche aber nicht wieder aufgenommen.

Der Entwurf eines "Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung" aus dem Justizministerium, der eigentlich Ende Januar hätte beschlossen werden sollen, liegt auf Eis.

Den meisten Unionsabgeordneten ging er nicht weit genug. Viele Abgeordnete der größeren Regierungspartei hätten sich gewünscht, dass nicht nur die gewerbsmäßige, sondern jedwede organisierte Suizidassistenz ohne Gewinnerzielungsinteresse, wie sie die zahlreichen Sterbehilfevereine betreiben, bestraft werden solle.

"Wir wollen Regeln haben, die Aktivitäten von Vereinen wie Dignitate verhindern", sagte Hubert Hüppe (CDU), Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, der "Ärzte Zeitung".

Idealerweise solle in der Gesetzesbegründung expressis verbis stehen, dass Ärzte und Pflegende nicht zu dem Personenkreis gehören sollen, die straffrei Beihilfe leisten dürfen wie zum Beispiel Angehörige.

Wird's noch was in dieser Legislatur?

Es dürfe auf keinen Fall der Eindruck entstehen, nicht gewerbsmäßige Beihilfe zum Suizid könne eine gute Tat sein. Das Gesetz müsse Effekte haben und dürfe keinen Schutz für nicht-kommerzielle Organisationen entfalten.

Ähnliche argumentiert der stellvertretende Union-Fraktionschef Günter Krings. Für ihn sei während der Sitzung klar geworden, "dass der heutige Rechtszustand, der die Sterbebeihilfe gänzlich straflos lässt, der denkbar schlechteste ist", sagte er der "Ärzte Zeitung".

Auch er will das Sterbehilfeverbot weiter fassen: "Darüber hinaus werden wir uns in der Union nach wie vor dafür einsetzen, die Sterbebeihilfe über den Bereich der gewerbsmäßigen Vornahme hinaus unter Strafe zu stellen."

Hüppe hat einen alternativen Gesetzentwurf zur Diskussion gestellt. Er schlägt vor, organisierte und gewohnheitsmäßig ausgeübte Sterbehilfe genauso unter Strafe zu stellen wie die Werbung dafür.

Tatsächlich soll im Gesetzgebungsverfahren schon einmal über ein weitreichendes Werbeverbot für die Beihilfe zum Suizid, einschließlich der Internetseiten von Sterbehilfeorganisationen, beraten worden sein.

Der Passus sei allerdings in der Ressortabstimmung herausgefallen, heißt es aus Regierungskreisen.

Dies wiederum geht Patientenschützern zu weit. Mit einem Vereinigungs- und Werbeverbot würde der Gesetzgeber über sein Ziel hinausschießen, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, früher Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch.

Eine Vertreterin der Bundesärztekammer setzte sich bei dem Treffen am Dienstagabend dafür ein, jede organisierte Form von Sterbehilfe zu verbieten. Dies entspricht der Haltung des Deutschen Ärztetages.

Leidende Menschen benötigten Hilfe und Zuwendung. Palliativmedizin könne dies leisten, Sterbehilfe nicht, heißt es in dem Beschluss.

Unklar ist trotz der bei der Union weiterhin bestehenden Einigungsbereitschaft, ob das Gesetz überhaupt noch in dieser Legislaturperiode kommen kann.

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Kommentare
Lutz Barth 31.01.201309:52 Uhr

Sterbehilfe - eine unendliche, aber auch unsägliche Geschichte!

Mit Verlaub: Auch Hubert Hüppe muss es daran gelegen sein, hierzulande für eine Wahrung des Selbstbestimmungsrechts und der Gewissensfreiheit einzutreten.

Es gibt letztlich keine Pflicht zum Leid tragen, und zwar ungeachtet der „segensreichen“ Palliativmedizin und irgendwelcher katholischer Zentraldogmen, die allein mit Hinweis auf die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit Bestand haben, im Übrigen aber nicht den rechtsethischen Standard unseres Grundgesetzen „beugen“, mag dies auch dem Wunsche so mancher Glaubenskrieger (auch im Gewande eines Arztkittels) entsprechen.

Die Debatte um die Liberalisierung der Sterbehilfe ist bedauerlicherweise rückwärtsgewandt: der Diskurs der letzten Jahrzehnte belegt eindrucksvoll, dass eigentlich nichts Neues in der Debatte zu Tage gefördert wird. Geflissentlich werden die bisherigen Debatten ausgeblendet und keiner mag sich mehr daran erinnern, dass hierzulande auch die Ethikräte durchaus für eine Liberalisierung eintreten, so auch mit Blick auf den Berufsstand der Ärzteschaft.

Weshalb nun Hüppe „idealerweise“ auch noch ein konkretes Verbot der Suizidassistenz für die Ärzteschaft für sinnvoll erachtet, bleibt ein (offenes) Geheimnis, leistet er doch mit einer solchen unsinnigen Forderung dem Sterbehilfetourismus weiterhin Vorschub.

War es nicht der Arzt Michael de Ridder, der den Sterbehilfevereinen Dilettantismus vorgeworfen hat?

Und in der Tat: Nicht wenige Ärzte votieren für eine Liberalisierung der Sterbehilfe-Regelungen (auch im ärztlichen Berufsrecht) und halten die Verbotsnorm für ein ethisches Zwangsdiktat der BÄK, die diese Verbotsnorm initiiert hat. Idealerweise sollte der parlamentarische Gesetzgeber – wenn überhaupt – ein Sterbehilfe-Gesetz verabschieden, bei dem auch Ärztinnen und Ärzte bei einem frei verantwortlichen Suizid eines schwersterkrankten Menschen assistieren dürfen. Den Ärztekammern wäre dann die „schwere Last“ der ethischen Grundorientierung über ihre Mitglieder genommen, mal ganz davon abgesehen, dass eine ethische Gleichschaltung der gesamten Ärzteschaft doch eher ein Armutszeugnis ist, welches sich insbesondere die BÄK ausgestellt hat.

Die erneute Debatte sollte sich ganz zentral auf die Innenperspektiven der Schwersterkrankten und Sterbenden fokussieren und da sind doch denn einige aktuelle Stellungnahmen eher von untergeordneter Bedeutung, zumal diese von zunehmender Intoleranz, aber eben auch schlichter Unkenntnis geprägt sind.

Ärztefunktionäre, aber auch Theologen und Philosophen sollten „nur“ von dem reden, wovon sie etwas verstehen: Verfassungsrecht jedenfalls scheint nicht ihre „Domäne“ zu sein und von daher ist es langsam mehr als nur nervig, wenn Dünnbettbohrer ihre ewig gestrigen Sonntagsreden schwingen.

Unsere Gesellschaft benötigt weder einen katholischen noch einen arztethischen Katechismus sui generis, um sich zum Selbstbestimmungsrecht und weiterer, zentraler Freiheitsrechte gerade der schwersterkrankten und sterbenden Menschen zu bekennen. Eine Gesellschaft, in der Schwersterkrankte zum Leiden verdammt sind, ist weit davon entfernt, als eine humane Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Vielleicht macht es Sinn, „einfach“ mal eine offizielle Volksbefragung durchzuführen, damit auch den „Glaubenskriegern“ und „Moralisten“ nochmals deutlich wird, dass auch hierzulande die Bürgerinnen und Bürger durchaus willens sind, Fragen am Lebensende in alleiniger Verantwortung zu entscheiden.

Es ist geradezu unsäglich, wenn eine handverlesene Gruppe von Oberethikern meint, uns ihre Kultur des Lebens überstülpen zu können.

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