Gesundheitsausschuss

Verbände sehen Nachbesserungsbedarf bei Spahns Gesundheits-App-Gesetz

Fehlende Einbindung der Ärzte, Ausbootung der Selbstverwaltung bei der Zulassung digitaler Anwendungen, zu kurze Fristen für die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur: Verbände haben im Gesundheitsausschuss noch zahlreiche Punkte am Entwurf zum Digitale-Versorgung-Gesetz kritisiert.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Der Gesetzentwurf zum Digitale-Versorgung-Gesetz sieht unter anderem vor, dass Ärzte ihren Patienten Gesundheits-Apps verschreiben können.

Der Gesetzentwurf zum Digitale-Versorgung-Gesetz sieht unter anderem vor, dass Ärzte ihren Patienten Gesundheits-Apps verschreiben können.

© Jackie Niam / Getty Images / iStock

Berlin. Ärzte- und Kassenverbände haben den Entwurf für ein Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) der Bundesregierung grundsätzlich begrüßt. Das Vorhaben biete die Chance, digitale Anwendungen in die Patientenversorgung zu bringen, hieß es bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags am Mittwochnachmittag. Im Detail zeige sich aber noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.

Ärztliche Expertise außen vor gelassen

Das betreffe etwa die bislang fehlende Einbindung von Ärzten und Patienten bei der Entwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen, betont etwa die Bundesärztekammer (BÄK) in ihrer Stellungnahme. Beide Gruppen stellten die „Kernzielgruppe“ digitaler Anwendungen dar, schon deshalb sei ihre „spezifische Expertise“ bei Fragen nach „Bedarfsgerechtigkeit, Usability und Nutzen“ der Anwendungen sicherzustellen.

Ähnlich hatte sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bereits im Juni geäußert. Bei den zusätzlichen digitalen Angeboten seien Kassenärztliche Vereinigungen und die KBV einzubeziehen. „Nur dann ist sichergestellt, dass die hohe Qualität der vertragsärztlichen Versorgung und die Patientensicherheit gewährleistet werden können.“ Die Übertragung von Versorgungsverantwortung an die Kassen lehne man ab, da „die ärztliche Versorgung in die Hände der Vertragsärzte und –psychotherapeuten“ gehöre.

Der Gesetzentwurf zum Digitale-Versorgung-Gesetz sieht unter anderem vor, dass Ärzte ihren Patienten Gesundheits-Apps verschreiben können. Dazu soll das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Anwendungen zunächst auf Datensicherheit und Funktionalität hin prüfen. Ein Jahr lang sollen die Produkte dann vorläufig von den Kassen erstattet werden. Während dieser Zeit muss der Hersteller nachweisen, dass seine Anwendung zu „positiven Versorgungseffekten“ führt.

Das sogenannte Fast-track-Verfahren ist aber nur für digitale Produkte der niedrigen Risikoklassen Ia und IIa vorgesehen. Für die Nutzenbewertung von Produkten der höheren Risikoklassen IIb und III hatte zuletzt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine Zuständigkeit angemeldet.

Kritik an Fast-track-Zulassung für Apps

Der GKV-Spitzenverband kritisierte die Ansiedlung der Überprüfung der Gesundheits-Apps beim BfArM scharf. Damit weiche der Gesetzgeber von „etablierten Entscheidungsstrukturen zur Aufnahme von Innovationen in die Regelversorgung“ ab. Die „Gestaltungsverantwortung“ der gemeinsamen Selbstverwaltung werde durch „die einer staatlichen Institution“ ersetzt.

Die unparteiischen Mitglieder des GBA äußern sich in ihrer Stellungnahme ähnlich. Der Grundsatz, wonach alle zulasten der Kassen erbrachten Leistungen dem „Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot“ entsprechen müssten, werde mit dem geplanten Gesetz „gebrochen“.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) betonte, digitale Anwendungen seien auch für psychisch Kranke eine Hilfe – sofern es darum gehe, eine Behandlung zu intensivieren oder zu festigen. Allerdings müsse die Wirksamkeit der Apps nachgewiesen sein. Sollten sie nicht funktionieren, könnte auch großer Schaden entstehen. Der bloße Nachweis eines „positiven Versorgungseffekts“ sei „nicht ausreichend“. Ein positiver Versorgungseffekt könne auch die bessere Information des Patienten über die Erkrankung sein, gibt die BPtK zu bedenken.

DKG: Frist für TI-Anbindung zu kurz

Auf Kritik der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) stößt die vorgesehene Frist für die Anbindung der Häuser an die Telematik-Infrastruktur (TI). Die Frist 31. Dezember 2019 sei „faktisch“ nicht zu halten. Die im Änderungsantrag der Koalition vorgeschlagene Verschiebung um ein Jahr sei zwar „ein Schritt in die richtige Richtung“. Diese Deadline müsse jedoch an die Verfügbarkeit von „krankenhausgeeigneten Konnektoren angepasst“ werden.

Die BÄK wiederum drängt darauf, dass auch rein privatärztlich tätige Ärzte an die TI anzuschließen. Hier sei der Gesetzentwurf entsprechend zu ergänzen.

Pflege will Zugriff haben

Hebammen und Physiotherapeuten sowie Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen können sich laut Gesetzentwurf freiwillig an TI anschließen lassen. Das Ziel sei, perspektivisch alle Gesundheitsberufe an die TI anzubinden, hieß es im Ausschuss.

Dies solle jedoch schrittweise geschehen, um das System nicht zu überfordern. Pflegeverbände pochen jedoch auf eine feste Anbindung von Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen. Nur so ließen sich etwa die geplanten digitalen Medikationspläne vollständig aktualisieren.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) nannte es „erfreulich“, dass Pflegeeinrichtungen der Einstieg in die Digitalisierung durch Einbeziehung in die Telematik gewährt werde und ihnen wie bei den niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern die Kosten für Aufbau und Betrieb der Telematik erstattet werden solle. „Gleichzeitig wird ihnen aber der Zugriff auf die elektronische Patientenakte nach wie vor noch nicht eingeräumt.“

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