Gestiegene GKV-Arzneimittelkosten
Chef der Techniker Krankenkasse kritisiert Preispolitik der Pharmaindustrie
Die Techniker Krankenkasse attackiert in einem Report die Preispolitik der Pharmaindustrie. Dort verweist man auf die Gesetzgebung, die Preisausschläge bei Arzneien ohne erwiesenen Zusatznutzen gar nicht erlaube.
Veröffentlicht:Berlin. Eine knappe Verdoppelung der GKV-Ausgaben für neue und damit patentgeschützte Arzneimittel stellt Deutschlands größte Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse (TK), fest.
Gemeinsam mit dem Göttinger aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung hat sie am Freitag den Report „Arzneimittel-Fokus – Pillen, Preise und Patente“ veröffentlicht. Demzufolge lagen die Bruttoausgaben für patentgeschützte Arzneimittel im Jahr 2018 noch bei rund 14,6 Milliarden Euro.
Im vergangenen Jahr habe die GKV mit rund 28 Milliarden Euro knapp das Doppelte dafür ausgeben müssen. Gleichzeitig machten diese Medikamente laut Report nur etwa sechs Prozent des Gesamtverbrauchs aus.
„Die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel steigen nahezu ungebremst, kommentierte TK-Vorstandsvorsitzender Dr. Jens Baas die Entwicklung am Freitag. Es sei nicht nachzuvollziehen, auf welcher Grundlage diese extrem hohen Preise für neue Medikamente zustande kämen. Die Hersteller könnten ihre Preise beim Marktzugang frei festsetzen, die Forschungs- und Entwicklungskosten seien aber überhaupt nicht transparent.
VfA verweist auf AMNOG als Preisbremse
Der Verband der forschenden Arzneimittelunternehmen (vfa) verwies auf Anfrage der Ärzte Zeitung darauf, dass seit dem Jahr 2011 das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) gelte, wonach neue Arzneimittel eben nicht mehr kosten dürften, wenn sie ihren Zusatznutzen gegenüber bestehenden Therapien nicht nachgewiesen haben.
Nach covidbedingten Sondereffekten habe sich der Arzneimittelmarkt 2022 wieder normalisiert. Das Ausgabenwachstum sei mit 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken und auf den „langjährigen Pfad“ zurückgekehrt. Insgesamt wende die GKV nur sieben Prozent ihrer Ausgaben für innovative Arzneimittel auf, so die vfa-Reaktion.
Der Verband argumentierte zudem damit, dass die Unternehmen seit 2017 mit neuen und im Anwendungsgebiet erweiterten Arzneimitteln wesentliche Fortschritte in vielen Feldern der Medizin erzielten. Den Mehrausgaben der Kassen ständen also weniger Leid und mehr Gesundheit gegenüber.
Kasse kritisiert „Evergreening“
Baas kritisierte dagegen die Marktstrategie der Unternehmen, durch so genanntes „Evergreening“ die Patentdauer eines Arzneimittels zu verlängern. Typische Beispiele seien kleinste Veränderungen an einzelnen Molekülen oder die Änderung der Darreichungsform, erläuterte Baas. Es sei deswegen nicht gerechtfertigt, an dieser Stelle von Innovationen zu sprechen und entsprechende Preise anzusetzen.
Beobachtet werde auch die Strategie, ein Medikament vom Markt zu nehmen, um es dann zur Behandlung einer anderen Indikation wieder auf dem Markt zu platzieren. Die Techniker verweist in diesem Zusammenhang auf die Wirkstoffe Alemtuzumab und Ofatumumab, die zunächst zur Behandlung von Krebs zugelassen gewesen und dann zur Behandlung von Multipler Sklerose erneut auf den Markt gekommen seien.
Der Preis sei dabei um das 42-fache beziehungsweise 23-fache gestiegen, so die TK. Baas verwies darauf, dass gerade in dieser Indikation das Preisniveau hoch sei, teilweise aber auch echte Innovationen auf den Markt gebracht würden, die die Behandlung entscheidend verbessert hätten. (af)