Verfassungsrichter stärken Rechte Transsexueller

Gerichte dürfen anerkannte Transsexuelle nicht unter Verweis auf nötige gesetzliche Neuregelungen vertrösten. Die Betroffenen haben das Recht, nach ihrem empfundenen Geschlecht richtig angeredet zu werden.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Transexuelle müssen nicht warten, bis der Gesetzgeber rechtliche Klarstellungen im Transsexuellengesetz getroffen hat.

Transexuelle müssen nicht warten, bis der Gesetzgeber rechtliche Klarstellungen im Transsexuellengesetz getroffen hat.

© appartment209 / fotolia.com

KARLSRUHE. Anerkannte Transsexuelle können ab sofort nach ihrem gefühlten Geschlecht eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft eingehen.

Die Gerichte müssen die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sofort umsetzen und dürfen Transsexuelle nicht auf eine gesetzliche Neuregelung vertrösten, heißt es in einem am 1. Dezember veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.

Danach verletzen Gerichte die Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen, wenn sie diese trotz bereits geänderten Vornamens weiter als "Herrn" anreden.

Keine Ehe oder Lebenspartnerschaft

Die Beschwerdeführerin wurde gemäß ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale bei ihrer Geburt dem männlichen Geschlecht zugeordnet. Sie fühlt sich jedoch als Frau, hat inzwischen nach dreijähriger gesetzlicher Wartezeit ihren Vornamen in "Rosi" geändert und unterzieht sich einer Hormontherapie. In ihrem Familien- und Freundeskreis lebt sie als Frau.

Nach dem Transsexuellengesetz erlaubt diese sogenannte kleine Lösung einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen jedoch keine Ehe mit einem Mann und keine Lebenspartnerschaft mit einer Frau. Dies setzt vielmehr eine operative Geschlechtsumwandlung und dauerhafte Unfruchtbarkeit der Transsexuellen voraus (sogenannte große Lösung).

Mit Beschluss vom 11. Januar 2011 (Az.: 1 BvR 3295/07) verwarf das Bundesverfassungsgericht dies als verfassungswidrig.

Standesamt verweigerte Änderung des Personenstands in "weiblich"

Die operative Geschlechtsumwandlung bedeute eine "massive Beeinträchtigung" der körperlichen Unversehrtheit; der Gesetzgeber könne dies nicht verlangen. Im damaligen Fall sprach das Bundesverfassungsgericht einer ihren äußeren Geschlechtsmerkmalen nach männlichen Transsexuellen, die sich als homosexuelle Frau fühlt, das Recht zu, mit ihrer Freundin eine Lebenspartnerschaft einzugehen.

Nach der Veröffentlichung dieser Entscheidung forderte im nun entschiedenen Fall die Beschwerdeführerin das Standesamt auf, ihren Personenstand in "weiblich" zu ändern. Entsprechend könnte sie dann einen Mann heiraten oder eine Lebenspartnerschaft mit einer Frau eingehen. Das Standesamt verweigerte dies.

Im nachfolgenden Rechtsstreit sprachen die Gerichte die Beschwerdeführerin regelmäßig in männlicher Form an. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart adressierte seine Post an "Herrn Rosi H.". Über den Antrag könne erst dann entschieden werden, wenn der Gesetzgeber eine neue Regelung getroffen hat.

Doch bis dahin müssen die Transsexuellen nicht warten, heißt es nun in dem neuen Karlsruher Beschluss, "weil dies die rechtliche Anerkennung ihres empfundenen Geschlechts rechtswidrig verzögert".

Az.: 1 BvR 2027/11

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