Pflegende Angehörige
Verloren im Irrgarten des Reha-Antrags
Pflegende Angehörige können gemeinsam mit ihren pflegebedürftigen Familienmitgliedern eine Rehabilitation in Anspruch nehmen. Ein Gutachten des BQS-Instituts macht jetzt auf das komplizierte Antragswesen aufmerksam.
Veröffentlicht:BERLIN/DÜSSELDORF. "Für die pflegenden Angehörigen sind die Zugangswege zu einer Rehabilitation bislang nicht ausreichend etabliert. Ihr Reha-Bedarf dringt bislang nicht bis zu den Kliniken durch", sagt Dr. Dagmar Hertle, Ärztin am BQS-Institut für Qualität und Patientensicherheit in Düsseldorf.
Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) hat das BQS-Institut untersucht, in wie weit sich die Angebotsstrukturen in der Rehabilitation bereits auf pflegende Angehörige als Zielgruppe eingerichtet haben.
Hintergrund ist das Pflege-Neu-Ausrichtungsgesetz (PNG) von 2012. Seither ist es für pflegende Angehörige möglich, ihre pflegebedürftigen Eltern, Partner oder Kinder in eine Rehabilitation mitnehmen. Zudem sollten die "besonderen Belange pflegender Angehöriger" bei der Beurteilung eines Antrags besonders berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse der Studie waren auch Thema auf dem 24. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium, dem größten deutschen Reha-Forschungskongress, und stießen dort auf großes Interesse.
Viele Angehörige überfordert
In der Praxis zeigt sich, dass Zeit und Aufwand, die mit einem Reha-Antrag verbunden sind, viele pflegende Angehörige überfordern. "Das Vorgehen erscheint sehr bürokratisch, wenig transparent und oftmals uneinheitlich. Viele Betroffene können ihren Pflegebedürftigen kaum oder nur kurze Zeit allein lassen", sagt Hertle.
Oftmals seien Informationen an unterschiedlichen Stellen einzuholen und nicht selten bleibe es dennoch unklar, wer im konkreten Fall der richtige Kostenträger sei. Die Anträge, in denen der Status "pflegender Angehöriger" bislang fehlt, müssten mitunter mehrfach gestellt werden.
Insgesamt waren 1167 Rehabilitationseinrichtungen per Email sowie 28 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Beratungspraxis, Vertreter der Kostenträger und der Betroffenen direkt befragt worden. Demnach halten 31 der knapp 1200 Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen spezifische Angebote für pflegende Angehörige und deren Pflegebedürftige bereits vor.
Reha-Bedarf unumstritten hoch
Manche davon haben dafür Pflegebetten im eigenen Haus, andere kooperieren zur Kurzzeitpflege mit Pflegeheimen in der Nähe. Viele andere Reha-Kliniken haben sich zwar darauf nicht spezialisiert, gaben aber an, bei einer konkreten Anfrage entsprechende Möglichkeiten zu schaffen.
Der Reha-Bedarf in dieser Zielgruppe ist unumstritten hoch, sagt Hertle und verweist auf Studien, die belegen, dass Pflegende von der Rehabilitation profitieren und sich auch noch neun Monate danach psychisch stabiler fühlen.
Um den pflegenden Angehörigen den Weg in die Reha zu erleichtern, empfiehlt sie, die Beratungsleistungen für eine Rehabilitation zu standardisieren und auf kommunaler Ebene zusammenzuführen. Auch sollten alle Akteure, die Kontakt zu Pflegenden haben, stärker sensibilisiert und fortgebildet werden.
Belastungssituation früh erkennen
Eine wichtige Präventionsarbeit könne von Hausärzten, Pflegediensten, Beratungsstellen, Kirchengemeinden, aber auch vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen geleistet werden, da sie frühzeitig erkennen könnten, wann eine Belastungssituation zu entgleisen drohe.
Und nicht zuletzt bedarf es auch, so Hertle, neuer Antragsformulare, damit die Zielgruppe sichtbar wird und bedarfsgerechte Reha-Programme entwickelt werden können.
Die Studie des BQS-Instituts für Qualität und Patientensicherheit kann hier heruntergeladen werden.