Vier Augen statt Organspende-Pfusch

War der Organspende-Skandal von Göttingen ein Systemversagen? Manches spricht dafür - etwa die finanziellen Anreize für leitende Ärzte. Die Uniklinik Göttingen hat bereits Lehren gezogen.

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Unimedizin in Göttingen: Lehren aus dem Skandal.

Unimedizin in Göttingen: Lehren aus dem Skandal.

© Julian Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN (pid). Die Göttinger Universitätsmedizin hat als Reaktion auf den Organspendeskandal zahlreiche strukturelle und organisatorische Änderungen vorgenommen, um Manipulationen auszuschließen.

So gibt es keine finanziellen Anreize mehr, die an die Zahl der Transplantationen gekoppelt sind. Bei dem unter Manipulationsverdacht stehenden früheren Leiter der Transplantationschirurgie war dies noch anders.

Nach Angaben eines Sprechers hatte der Chirurg, wie bei leitenden Medizinern üblich, einen leistungsabhängigen Gehaltsvertrag.

Darin sei eine Bemessungsgrenze festgelegt gewesen, ab der Zulagen gezahlt wurden, die über das Grundgehalt hinausgingen. Diese soll sich auch an der Zahl der vorgenommenen Transplantationen orientiert haben.

Die Göttinger Universitätsmedizin hatte sich Ende vergangenen Jahres von dem Transplantationsmediziner getrennt.

Zuvor war der Verdacht aufgekommen, dass der Arzt Krankenakten manipuliert hatte, um einem Patienten aus Russland bevorzugt zu einer Spenderleber zu verhelfen.

Inzwischen haben, wie berichtet, die weiteren Ermittlungen 25 Verdachtsfälle ergeben, bei denen Daten von Göttinger Patienten gefälscht wurden, so dass diese auf der Warteliste für Spenderorgane der Stiftung Eurotransplant nach oben rückten.

Auffällig schon in Regensburg

Der Oberarzt soll dabei gezielt Laborwerte gefälscht und Dialyse-Behandlungen erfunden haben, so dass Patienten als kränker dargestellt wurden, als sie tatsächlich waren.

Der Experte für Lebertransplantationen war im Herbst 2008 von der Universitätsklinik Regensburg nach Göttingen gewechselt, wo er die Leitung der Transplantationschirurgie übernahm.

Dort wusste man nichts davon, dass der Mediziner schon in Regensburg auffällig geworden war, weil er eine Spenderleber nach Jordanien geschafft hatte. Unter dem neuen Leiter gab es einen starken Aufschwung.

Waren 2007 am Göttinger Uni-Klinikum noch 26 Lebertransplantationen vorgenommen worden, waren es 2009 bereits 55 - eine Steigerung um mehr als das Doppelte. 2010 gab es 58 Transplantationen, im vergangenen Jahr 33.

Welche Zulagen der Mediziner für die deutlich höhere Zahl der Eingriffe in den Jahren 2009 und 2010 erhielt, dazu gab Weller keine Auskunft. Im vergangenen Jahr sei die Leistungskomponente "nicht zum Tragen gekommen".

Die Klinikumsleitung habe dem Mediziner keine Vorgaben bezüglich der Zahl der Transplantationen gemacht, es sei auch keinerlei Druck ausgeübt worden.

Das Klinikum hat inzwischen eine ganze Reihe von Vorkehrungen getroffen, um Manipulationen zu verhindern. So wurde zum 1. April die Leitung der Transplantationschirurgie neu besetzt und das Vier-Augen-Prinzip eingeführt.

Doppelter Boden eingebaut

Dies bedeutet, dass ein zweiter Arzt, der nicht in der Transplantationschirurgie tätig ist, die medizinischen Daten jedes potentiellen Transplantationspatienten auf ihre Plausibilität überprüft.

Erst wenn dieser die entsprechenden Dokumente gegengezeichnet hat, wird der Patient der Stiftung Eurotransplant gemeldet.

Hierbei bleibt der Transplantationsmediziner völlig außen vor. Die Übermittlung der Daten und die gesamte Kommunikation mit Eurotransplant übernimmt allein der leitende Transplantationskoordinator der Göttinger Universitätsmedizin, Ralf Werner.

"Damit haben wir eine doppelte Sicherheit eingebaut", erklärt er. Inzwischen gebe es auch bei Eurotransplant eine Audit-Kommission, die ebenfalls die Daten der Patienten überprüfe.

Die Göttinger Universitätsmedizin hat außerdem eine externe Gutachterkommission eingesetzt, die den ganzen Fall überprüft. "Wir wollen möglichst schnell Klarheit haben", sagte UMG-Sprecher Stefan Weller.

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