Bundestagswahl 2021
Vier Kandidaten, ein Ziel: Spahns Digital-Turbo drosseln!
„Da blickt doch keine Sau mehr durch“: Drei Ärzte und eine Pflegerin wollen im Parlament die Digitalisierung im Gesundheitswesen verlangsamen. Der Gedanke eint sie über die Parteigrenzen hinweg.
Veröffentlicht:Berlin. Die virulente Diskussion um die elektronische Patientenakte (ePA) steht exemplarisch für Fragestellungen rund um die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Soll es nun eher das Opt-in- oder das Opt-out-Modell sein? Einhellig betonten am Donnerstagabend die vier Bundestagskandidaten Jessica Heller (CDU/Leipzig Süd), Dr. Andreas Philippi (SPD/Göttingen), Dr. Johannes Wagner (Grüne/Coburg) und Dr. Silke Müller (FDP/Dresden II-Bautzen II) im Rahmen des Formats „MedTalks“ des Unternehmens Kry, dass für sie die Einwilligung des Patienten zur Nutzung der ePA-Inhalte durch Ärzte und Psychotherapeuten – und damit das Opt-in-Modell – alternativlos sei.
„Digitale Gesundheit – wie geht es nach der Wahl weiter?“, lautete der Titel der Diskussionsrunde. Für den angehenden Pädiater Wagner steht das „ePA-Chaos“ exemplarisch dafür, dass die Bevölkerung von der Politik bei der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens nicht richtig ernst- und vor allem nicht richtig mitgenommen werde. Generell bedürfe es einer Entschleunigung bei der Digitalisierung und verbindlicher technischer Standards für die Interoperabilität, damit auch die intersektorale Kommunikation besser klappt.
Der Turbo-Gesundheitsminister
Jens Spahn – Macher mit offenen Baustellen
Nationale Digitalstrategie gefordert
Der in Herzberg niedergelassene Chirurg Philippi vermisst eine „nationale Strategie für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens“ inklusive einer nationalen sowie einer Koordinierungsstelle auf EU-Ebene. Insgesamt müsse das Gesundheitssystem neu gedacht werden, um die tradierten Sektorengrenzen aufzubrechen.
Den Reset-Knopf für das hiesige Gesundheitswesen möchte auch die ausgebildete Intensivkrankenpflegerin und Medizinstudentin Heller drücken, sollte sie bei den Bundestagswahlen am 26. September in den Bundestag einziehen. Ihr größtes Anliegen sei es, im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) auch Vertretern ihres Berufsstandes sowie denen der weiteren Gesundheitsberufe ein Stimmrecht zukommen zu lassen. Bisher sei das höchste Gremium der Selbstverwaltung nicht fair besetzt.
Zankapfel Investitionen im ambulanten Sektor
Der in Dresden niedergelassenen Hausärztin Müller ist vor allem eines wichtig: Wie auch immer die neue Koalition in Berlin aussehen wird – sie müsse den Gesetzes-Turbo drosseln, mit dem der amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit der Brechstange vorantreiben wolle. „Da blickt doch keine Sau mehr durch, lieber mal ein Gesetz weniger und dafür ordentlich“, so ihr Plädoyer.
Während Konsens bei den vier Bundestagsaspiranten herrscht, dass das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) notwendig sei, um die Kliniken mit moderner IT aufzurüsten, verhält es sich im ambulanten Sektor anders. Müller, die betont, ihre Praxis seit Jahren bereits überwiegend digital zu organisieren, sieht keine Notwendigkeit, analog zum KHZG für Niedergelassene ein IT-Förder-Füllhorn bereitzustellen, um die Investitionen in Praxen jenseits der Konnektoren, deren Kosten bereits erstattet werden, zu decken.
Nach Philippis Ansicht könnten monetäre Anreize jedoch die Bereitschaft vieler Niedergelassenen zur IT-Aufrüstung ihrer Praxen beschleunigen. Auch Wagner und Heller fänden solch ein Instrument durchaus charmant.