Reformpläne vorgestellt
Vorschlag von Fachleuten: So wird der Staat schlanker und handlungfähiger
Vorschläge für eine Staatsreform legt eine Initiative um Ex-Minister Peer Steinbrück auf den Tisch. Drei wichtige Bausteine darin: Digitalisierung, die Neuordnung des Zivil- und Katastrophenschutzes sowie weniger Knebel für die Forschung.
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Wollen dem Staat auf die Sprünge helfen (v.l.n.r.): Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, Andreas Voßkuhle, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Managerin Julia Jäkel und Ex-Innenminister Thomas de Maizière.
© Michael Kappeler/dpa
Berlin. Eine von prominenten Köpfen im vergangenen Sommer angestoßene „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ hat am Mittwoch Vorschläge für eine Staatsreform vorgelegt. Darin geht es darum, Deutschland schneller, unkomplizierter, wettbewerbsfähiger und gegenüber seinen Bürgern weniger argwöhnisch zu machen.
Mit den Koalitions-Verhandlungsführern von CDU/CSU und SPD seien die Reformpunkte schon besprochen worden. „Die Reaktion war sehr aufgeschlossen“, sagte Ex-Innenminister Thomas de Maizière vor Journalisten in Berlin.
De Maizière gehört mit Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle sowie der Unternehmerin Julia Jäkel zu den Initiatoren des Projekts, für das der Bundespräsident die Schirmherrschaft übernahm und in dessen Rahmen 52 Frauen und Männer aus unterschiedlichen Bereichen Reformansätze diskutierten.
Staat sollte weniger misstrauisch sein
30 Empfehlungen für Änderungen in der Staatsverfassung beziehungsweise im Geflecht zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind in dem Zwischenbericht zusammengefasst. Im Juli will das Autorenquartett einen endgültigen Bericht vorlegen, der dann an einigen Stellen noch etwas mehr in die Tiefe gehen soll.
Die vier Kernbotschaften fasste Andreas Voßkuhle zusammen: Im Verhältnis vom Staat zum Bürger müsse man „weg von einer Misstrauens- zu einer Vertrauenskultur“. Bei der Digitalisierung müsse die Politik schnell Fahrt aufnehmen, „das ist Voraussetzung für alles“. Die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen müssten entwirrt und eine neue Sicherheitsarchitektur errichtet werden.
Sicherheitsgesetz ist notwendig
Letzteres könne sofort in Angriff genommen werden, und zwar mit der Einrichtung eines ressortübergreifenden Krisenstabes, den es bislang noch nicht gebe, sagte de Maizière. Die Trennung zwischen Katastrophen- und Zivilschutz müsse aufgehoben und dem Bund die Zuständigkeit für den nationalen Katastrophenschutz übertragen werden.
Um Deutschland wehrfähig zu machen, müsse die militärische mit der zivilen Verteidigung verknüpft werden. Dafür sei es nötig, alle relevanten Akteure, zu denen auch Gesundheitseinrichtungen und „Blaulichtorganisationen“ gehören, schon in Friedenszeiten miteinander zu verzahnen. Zuständigkeiten müssten hier geklärt und vor allem auch neue gesetzliche Grundlagen geschaffen werden für Sicherstellungsgesetze.
Neues Ministerium für Digitales
Um bei der Digitalisierung, die Deutschland laut Voßkuhle völlig verschlafen habe, schnell Fahrt aufzunehmen, schlägt die Initiative die Errichtung eines Ministeriums für Digitales und Verwaltung vor. Denn ohne IT könne es heute keine handlungsfähige Verwaltung mehr geben. Das Ministerium bekomme die Verantwortung für die digitale Infrastruktur des Bundes, stelle den Ländern IT-Lösungen für Bürgerdienste zur Verfügung und richte als zentrale Umsetzungseinheit eine Digitalagentur ein.
Bezüglich des Datenschutzes wird eine Straffung der Zuständigkeiten angeregt, zumindest in dem „nicht-öffentlichen Bereich“, in dem Unternehmen länderübergreifend oder inernational agieren. Hier sollte die Aufsicht nur noch beim Bundesdatenschutzbeauftragten liegen. Die Datenschützer in den Ländern wären für die Wirtschaft damit nicht mehr zuständig.
Leichtere Datennutzung für Forschung generell
Ferner wird vorgeschlagen, die rechtlich vorgeschriebenen Informationspflichten gegenüber Betroffenen zu reduzieren. „Statt vorherigem Einverständnis zur Verwertung von Daten sind grundsätzlich Widerspruchslösungen vorzusehen“, heißt es in dem Bericht. Generell soll die Nutzung von Daten zu Forschungszwecken wie jetzt schon im Gesundheitsbereich privilegiert werden.
Um die Entwicklung von Innovationen und deren Umsetzung in Form von Patenten oder Transfer in die Wirtschaft zu fördern, dringt die Initiative darauf, Wissenschaftlern es leichter zu machen, ihre Arbeiten unternehmerisch zu verwerten. Rechtliche und steuerliche Hürden hemmten die Innovationsdynamik. Deshalb sei unter anderem ein Transferfreiheitsgesetz notwendig.
Entschlackung bei Dokumentationspflichten
Außerdem müsse der Wettbewerb um Drittmittel zwischen den Hochschulen entschärft werden. Die Grundfinanzierung der Unis sei im Verhältnis zu den Drittmitteln deutich erhöht werden. Das werde dann auch dafür sorgen, den „Haupttreiber von Bürokratisierung im Wissenschaftssystem“ zu beseitigen.
Generell fordert die Initiative eine deutliche Reduzierung von Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Nachweispflichten. Es sollten lieber weniger, dafür aber bessere und vernünftige Gesetze beschlossen werden, die schon während des Gesetzgebungsvefahrens einem Praxistauglichkeitstest unterzogen werden müssten. Dieser soll als „integrativer Prozess“ gemeinsam mit den Adressaten des Gesetzes, den Ressorts und Experten gestaltet sein.
Reformdruck groß genug?
Mit der inhaltlichen Ausrichtung der Politik hat sich die Initiative nicht beschäftigt, wie Peer Steinbrück ausdrücklich betonte. Zu der Frage einer demografiefesten Altersversorgung oder zum Problem der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen finden sich in dem Zwischenbericht deshalb keine Aussagen.
Auf der Politik laste Druck, „weil vieles nicht mehr funktioniert“, sagte Ex-Innenminister Thomas de Maizière. Vielleicht sei das aber auch eine Chance, Reformen innerhalb des Staates anzugehen. (juk)