Corona-Politik

Weg von der Inzidenz – in den Ländern konkretisieren sich die Pläne

Die Pläne der Länder, welche Kriterien für die Beurteilung der Corona-Lage herangezogen werden sollen, werden zunehmend konkreter. Die Inzidenz allein soll es, wie lange angekündigt, nicht mehr sein.

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Mit 3G mehr Sicherheit – die Vorgaben dafür werden gerade von den Ländern nach und nach erarbeitet. Wann 3G die Voraussetzung ist, um Zutritt zu bestimmten Tätigkeiten oder Veranstaltungen zu haben, soll in Zukunft nicht nur an der Inzidenz hängen.

Mit 3G mehr Sicherheit – die Vorgaben dafür werden gerade von den Ländern nach und nach erarbeitet. Wann 3G die Voraussetzung ist, um Zutritt zu bestimmten Tätigkeiten oder Veranstaltungen zu haben, soll in Zukunft nicht nur an der Inzidenz hängen.

© Simone / stock.adobe.com

München/Magdeburg/Hannover. Aus immer mehr Bundesländern werden die Pläne bekannt, an welchen Kriterien sich die Corona-Politik in Zukunft orientieren soll. An dem Ziel, sich auf einheitliche Maßstäbe bundesweit zu verständigen, waren die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder vor zehn Tagen noch gescheitert.

Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder will künftig nicht mehr die Sieben-Tage-Inzidenz zum Maßstab der Corona-Politik machen. „Aufgrund der hohen Impfquote ist die Methodik der ersten drei Wellen, also sich nur auf die Inzidenz zu konzentrieren, nicht mehr passend“, sagte der CSU-Chef der „Mediengruppe Münchner Merkur tz“ (Samstag). Stattdessen soll künftig „eine Art Krankenhaus-Ampel“ die rote Linie vorgeben.

Der bayerische FDP-Chef Daniel Föst begrüßte die angekündigte Abkehr vom Inzidenzwert. „Söder bewegt sich endlich“, sagte Föst am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Erst am Freitag hatte der FDP-Bundestagsabgeordnete von der Staatsregierung in München verlangt, „von ihrem starren Inzidenzwert-Fetisch“ abzukehren. Nun sei die Frage, wie lange Corona-Einschränkungen noch aufrecht erhalten werden müssten, meinte Föst am Samstag. „Für uns Freie Demokraten ist der Zeitpunkt gekommen, zur Normalität zurück zu kehren.“

Söder hatte erklärt, dass das baden-württembergische Modell künftig als Vorbild für Bayern dienen soll. „Das heißt: 3G – getestet, geimpft und genesen - gilt künftig unabhängig von der Inzidenz“, sagte Söder.

Vorbild Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg genießen Geimpfte und Genesene seit dem 16. August unabhängig von örtlichen Corona-Inzidenzen in vielen Bereichen wieder größere Freiheiten. Hingegen müssen Ungeimpfte wesentlich häufiger als bisher negative Antigen-Schnelltests vorweisen, die jeweils nicht älter als 24 Stunden sein dürfen.

„Wir müssen ein neues Kapitel aufschlagen aus Sicherheit und Eigenverantwortung“, sagte Söder. Wichtig ist dem bayerischen Regierungschef, die Belastung des Gesundheitssystems auch künftig im Blick zu behalten. Die Krankenhaus-Ampel solle die die Situation auf den Intensivstationen spiegeln. „Da wir uns bei der Ministerpräsidentenkonferenz nicht einigen konnten, entwickeln wir das in Bayern selbst“, kündigte Söder an. „So haben wir Anreize zum Impfen, mehr Normalität und verhindern gleichzeitig eine Überlastung der Krankenhäuser.“ Einen konkreten Termin zur Umsetzung der Maßnahmen nannte der Regierungschef noch nicht. Einen weiteren Lockdown schließt aber auch er aus. „Das können Sie den Geimpften und Genesenen nicht zumuten“, meinte Söder.

Sachsen-Anhalt schon ab Montag mit neuen Regeln

Bereits ab Montag haben die Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt mehr Handlungsspielraum in der Bewertung der Corona-Lage. Künftig können weitere Indikatoren herangezogen werden. Dazu gehören die Anzahl der schweren Krankheitsverläufe, die Bettenbelegung und die Auslastung der Intensivbetten-Kapazitäten in den Krankenhäusern, wie aus der geänderten Corona-Verordnung hervorgeht, die am Freitag veröffentlicht wurde. Dank dieser Indikatoren können die Landkreise und kreisfreien Städte auch von der vorgegebenen Sieben-Tage-Inzidenz von 35 abweichen.

Unter Abwägung aller Faktoren können Maßnahmen verschärft oder gelockert werden – das gibt den Landkreisen und kreisfreien Städten mehr eigene Entscheidungsmöglichkeiten. So kann etwa anhand der zusätzlichen Indikatoren eine Testpflicht für körpernahe Dienstleistungen, für Hotelgäste oder für Besuche in Krankenhäuser verhängt werden. Bislang war die Anordnung oder Aufhebung von Testpflichten lediglich an die Sieben-Tage-Inzidenz von 35 gekoppelt.

Dabei ist Sachsen-Anhalt ohnehin noch ein gutes Stück von dem Grenzwert 35 entfernt – nach Angaben des Robert Koch-Instituts lag die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Freitag bei 12,8. Den höchsten Wert hatte die Stadt Halle mit einer Inzidenz von 28,1.

Erleichterungen für Großveranstaltungen

Für Freizeitangebote sowie für Großveranstaltungen gibt es zudem kleinere Erleichterungen. Für Kultur-, Sport und Freizeitangebote entfallen die sogenannte Zehn-Quadratmeter-Regel und damit die Zugangsbeschränkungen. Für Ladengeschäfte gilt dies jedoch nicht – dort bleibt eine Obergrenze von einer Person je zehn Quadratmeter vorgeschrieben. Für Großveranstaltungen ist künftig keine Genehmigung durch das Gesundheitsamt mehr notwendig. Auch die Kopplung an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35 fällt weg.

Für Schülerinnen und Schüler gilt weiterhin eine Testpflicht. Konkret sollen die Kinder und Jugendlichen am ersten Schultag, in der zweiten und dritten Schulwoche dreimal und danach wöchentlich zweimal getestet werden. Für Geimpfte und vollständig Genesene besteht dabei den Angaben zufolge keine Testpflicht.

In der geänderten Verordnung wurde zudem ein Hinweis auf das geltende Schulgesetz ergänzt, wonach Schülerinnen und Schülern, denen etwa aufgrund keines gültigen Testergebnisses der Zutritt zum Schulgelände verwehrt bleibt, gegen die Schulpflicht verstoßen. Die Verordnung tritt bereits am kommenden Montag in Kraft - damit passt sich Sachsen-Anhalt an den Bundesrhythmus an. Die neuen Regeln sollen bis zum 16. September gelten.

Mittwoch gelten neue Regeln in Niedersachsen

Die Landesregierung im benachbarten Niedersachsen legt am Dienstag eine neue Corona-Verordnung vor. Am Mittwoch soll sie in Kraft treten. Damit setzt das Land größtenteils die Beschlüsse zur Corona-Pandemie von Bund und Ländern um. Ein neues zentrales Element ist die sogenannte 3G-Regel. In Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen ein bestimmtes Infektionsgeschehen festgestellt wird, soll der Zugang zu bestimmten Einrichtungen, Veranstaltungen oder Leistungen auf geimpfte, genesene und getestete Personen (3G) beschränkt werden.

Vorgesehen ist eine solche Zugangsbeschränkung nach einem Verordnungsentwurf aus der vergangenen Woche, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, für diverse Innenräume – zum Beispiel in der Gastronomie, in Hotels, im Fitnessstudio oder beim Friseur. Auch bei Zusammenkünften mit mehr als 25 Menschen soll die 3G-Regel demnach gelten.

Laut Entwurf soll diese Regel gelten, wenn mindestens die erste von drei neuen Warnstufen ausgerufen wird oder die Sieben-Tage-Inzidenz über 50 liegt. Die Warnstufen sollen eingeführt werden, um bei der Steuerung der Corona-Maßnahmen zusätzliche Kennwerte neben der Sieben-Tage-Inzidenz zu berücksichtigen. Sie werden demnach vom Landkreis oder der kreisfreien Stadt ausgerufen. Sie sollen sich aus der Sieben-Tage-Inzidenz sowie den Parametern „Hospitalisierung“ und „Intensivbetten“ zusammensetzen.

Auch Hospitalisierung spielt eine Rolle

Mit „Hospitalisierung“ ist die landesweite Zahl der im Krankenhaus behandelten Covid-19-Fälle je 100 .000 Einwohner in den letzten sieben Tagen gemeint (Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz). Der Indikator „Intensivbetten“ bestimmt sich nach dem prozentualen Anteil der mit Covid-19-Patienten belegten Intensivbetten gemessen an der gesamten Intensivbettenkapazität.

Überschreiten an fünf aufeinanderfolgenden Tagen zwei der drei Indikatoren die in der Verordnung neu festgelegten Schwellenwerte, sollen in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt vom übernächsten Tag an entsprechende Warnstufen gelten. So sieht es der Entwurf vor.

Derzeit befindet sich der Verordnungsentwurf noch in der finalen Abstimmung. Am Dienstagnachmittag will die Landesregierung die neue Corona-Verordnung der Öffentlichkeit präsentieren. (dpa)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 23.08.202109:47 Uhr

Streit um Corona-Inzidenzen

Eine erweiterte Meldeverordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) von Juli 2021 besagt: Künftig müssen für alle im Krankenhaus behandelten Corona-Patienten Alter, Art der Behandlung und Impfstatus gemeldet werden. Das BMG erhofft sich dadurch mehr Informationen zu allen klinisch behandelten COVID-19-Patienten. Die Hospitalisierung solle als zusätzlicher Leitindikator miteinbezogen werden. Sicher seien „weiterhin mehrere Indikatoren zur Bewertung notwendig, aber die Gewichtung der Indikatoren untereinander ändert sich“.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte schon vor Wochen erklärt, die Inzidenz verliere an Aussagekraft. Als Begründung nannte er, dass die gefährdeten Gruppen geimpft seien und es weniger Krankenhauseinweisungen gebe.

Der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI) Prof. Dr. Lothar Wieler hatte laut ARD auf einer Schaltkonferenz zwischen Kanzleramtschef Dr. med. Helge Braun und den Chefs der 16 Staatskanzleien betont, an der Inzidenz als „Leitindikator“ festhalten zu wollen und ein Papier zu einer Niedrig-Inzidenz-Strategie vorgestellt. Inzidenz heißt in dem Papier neu: „Leitindikator für Infektionsdynamik“.

Jens Spahn widersprach. Wir brauchen neben der Inzidenz „zwingend weitere Kennzahlen, um die Lage zu bewerten“, etwa die „Zahl der neu aufgenommenen COVID-19-Patienten im Krankenhaus“, so der Bundesgesundheits-Minister gegenüber Bild. Damit ist Spahn nicht allein...

Einzelheiten unter
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/34725-streit-um-corona-inzidenzen

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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