Zi-Analyse
Ärzte halten sich mit Antibiotika zurück
Ärzte verordnen weniger Antibiotika als noch vor zehn Jahren. Der Handlungsdruck auf die Politiker im Kampf gegen multiresistente Keime bleibt gleichwohl hoch.
Veröffentlicht:BERLIN. Niedergelassene Ärzte verordnen weniger Antibiotika als noch vor wenigen Jahren. Vor allem Kinder und Jugendliche werden seltener mit Antibiotika behandelt. Das geht aktuell veröffentlichten Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) hervor.
Gleichwohl warnt die Bundesregierung vor einer weiteren Ausbreitung antibiotikaresistenter Erreger auch in Deutschland.
2010 wurden wurden ausweislich des ZI-Versorgungsatlas je 1000 gesetzlich Versicherte 562 Verordnungen über Antibiotika ausgestellt. 2018 waren es nurmehr 446, was einem Minus von 21 Prozent entspricht (siehe nachfolgende Grafik).
Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre bekamen im Untersuchungszeitraum 41 Prozent weniger an Antibiotikagaben, Säuglinge sogar 49 Prozent.
„Der starke Rückgang des Antibiotikagebrauchs im Alterssegment der 0 bis 10-Jährigen markiert einen tiefgreifenden Wandel in der pädiatrischen Versorgung“, kommentierte Untersuchungsleiter Dr. Jörg Bätzing dieses Ergebnis.
Anteil der Hausärzte stabil
Was die Wirkstoffe angeht, ermittelten die ZI-Forscher im Untersuchungszeitraum die deutlichsten Abnahmen für Tetracycline (44 Prozent), Fluorchinolone (41 Prozent) und Sulfonamide/Trimethoprim (37 Prozent).
Die Anwendungshäufigkeit von Cepahlosporinen ging demnach um 17 Prozent zurück. Kaum verändert hat sich der Anteil der Antibiotikaverordnungen durch Hausärzte, der seit 2010 stabil bei rund 65 Prozent liegt.
Eine Recherche der Bundesregierung zeigt nach wie vor bestehende strukturelle Defizite im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen auf: Die Ausstattung der Krankenhäuser mit Hygienepersonal ist ausbaufähig.
2017 beschäftigte nur jedes zweite von 1942 Krankenhäusern eine Hygienefachkraft. Das hat die Bundesregierung für eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag ermittelt.
Fachärzte für Hygiene kann man demnach mit der Lupe suchen. Die Bundesärztekammer hat 79 Angehörige dieser Facharztgruppe gezählt. Das Statistische Bundesamt geht von 227 aus. Die Diskrepanz lasse sich damit erklärten, dass einige Hygieniker im Referenzjahr 2017 mehrere Krankenhäuser betreuten, insgesamt aber lediglich 157.
FDP fordert mehr Hygienepersonal
Für den Obmann der FDP-Bundestagsfraktion, Professor Andrew Ullmann, ist klar, dass die Fachkompetenz in Hygienefragen in den Krankenhäusern gesteigert werden müsse. In Deutschland hätten im Jahr 2015 55.000 Menschen eine Infektion mit multiresistenten Keimen erlitten, 2400 seien daran gestorben.
In den Kliniken müsse es daher flächendeckend festangestellte Hygienefachkräfte geben, sagte Ullmann am Mittwoch. Die Bundesärztekammer sei gefragt, den Facharzt für Infektiologie zu fördern. Derzeit gibt es lediglich an der Berliner Charité dafür einen eigenständigen Lehrstuhl.
Der von den Antibiotikaresistenzen ausgelöste Behandlungsaufwand und die Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung bleiben unklar. Die Regierung konnte nicht ermitteln, wie sich die Behandlungen von Menschen mit MRSA, VRE, 3-MRGN oder 4-MRGN in den vergangenen fünf Jahren entwickelt haben.
Das gelte sowohl für die ambulante als auch für die stationäre Versorgung, heißt es in der Antwort. Nationale Maßnahmen gegen die Erreger reichten alleine nicht aus.
Weiße Flecken auf der Testkarte
Auch für die Häufigkeit von Tests und Screenings in Arztpraxen und Krankenhäusern sowie deren Kosten liegen der Regierung keine Daten vor. Hinweise liefert die Antibiotika Resistenz Suveillance (ARS) an der Charité.
Demnach haben die 341 an der ARS teilnehmenden Krankenhäusern die Zahl der Screening-Proben zwischen 2013 und 2017 um 60 Prozent gesteigert. Absolute Zahlen nennt die Regierung an dieser Stelle nicht.
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 21.08.2019 um 16:25 Uhr.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Antibiotika-Resistenzen: Die Botschaft ist angekommen