Pflegebeauftragter

Westerfellhaus wird konkret gegen Fachkräftemangel

Die Regierung will Tausende neue Stellen schaffen, um die Personalnot in der Pflege zu bekämpfen. Doch die große Frage lautet: Wie kann man schnell Interessenten anlocken? Nun liegen Vorschläge auf dem Tisch.

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BERLIN. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, setzt auf Prämien von bis zu 5000 Euro und andere konkrete Anreize, um dringend gesuchte Fachkräfte zu gewinnen. Das solle dazu beitragen, die von der großen Koalition vorgesehenen zusätzlichen 13.000 Stellen in der Altenpflege auch tatsächlich besetzen zu können, heißt es in einem am Donnerstag vorgelegten Papier mit Vorschlägen.

Für nachhaltige Verbesserungen sei es nötig, dass Fachkräfte ihren Beruf zufrieden ausübten und gern blieben. In der Alten- und Krankenpflege sind bundesweit 35.000 Stellen offen.

Als "deutliches Signal" schlägt Westerfellhaus steuerfreie Prämien für die Aufnahme einer unbefristeten Stelle vor: 5000 Euro für einst ausgestiegene Berufsrückkehrer und 3000 Euro für Teilzeitkräfte, die um mindestens 20 Prozent der Vollarbeitszeit aufstocken. Für den ersten Job nach absolvierter Ausbildung soll es 3000 Euro geben.

80 Prozent Arbeitszeit, 100 Prozent Lohn

In einem auf drei Jahre befristeten "Flächenmodell" soll es allen Fachkräften möglich sein, bei 80 Prozent Arbeitszeit 100 Prozent Lohn zu erhalten. In der freien Zeit sollen sie sich regenerieren, so dass keine Nebentätigkeit ausgeübt werden dürfte. Vollzeitkräfte könnten alternativ weiter voll arbeiten, bekämen aber einen "Treuebonus".

Erreichen will Westerfellhaus auch "mehr Wettbewerb der Betreiber um die besten Arbeitsbedingungen und um die größte Wertschätzung für Pflegekräfte". Dafür könne es in Vergütungsverhandlungen Zuschläge für neue Konzepte geben – etwa für stabilere Dienstpläne, weniger Rückrufe aus freien Tagen und Entlastung bei Dokumentationspflichten.

Pflegeprofis sollen chronische Wunden versorgen dürfen

Für mehr Freude am Beruf solle Fachkräften auch mehr Verantwortung übertragen werden können, da sie Pflegeprofis und keine Handlanger seien. So sollten sie – mit entsprechenden Anforderungen an die Qualifikation – zum Beispiel chronische Wunden versorgen können.

Die Kosten dieser Vorschläge sollten "nicht einseitig durch die Pflegebedürftigen" getragen, sondern "auf möglichst breite Schultern verteilt" werden, heißt es in dem Papier. Mehrausgaben würden sich schnell auszahlen, "denn überlastungsbedingte Personalausfälle sowie der Einsatz teurer Leasingkräfte werden verringert".

Die Bundesregierung will die Personalnot mit einem Paket für mehr neue Stellen und bessere Arbeitsbedingungen lindern. Vereinbart wurden Eckpunkte für ein "Sofortprogramm" im Volumen von jährlich rund einer Milliarde Euro, das zum 1. Januar 2019 in Kraft treten soll. Bezahlt werden soll es überwiegend von der gesetzlichen Krankenversicherung. (dpa)

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Kommentare
Ulrike Messerschmied 09.06.201801:05 Uhr

Die hehren Pläne des Herrn W.

Die Pläne des Herrn Westerfellhaus in allen Ehren – aber man fragt sich unweigerlich, ob ihm eigentlich klar ist, welch fatales Signal er mit seinen Prämienversprechen an diejenigen aussendet, die trotz aller Widrigkeiten im Beruf verblieben sind und tagtäglich dafür sorgen, dass das System nicht vollends kollabiert! Wenn nur diejenigen die aus unterschiedlichen Gründen nicht durchgehalten haben, und diejenigen die noch keine Erfahrung haben, ,,prämiert‘‘ werden sollen, steht zu befürchten, dass auch die letzten ,,Guten‘‘ dem Beruf den Rücken kehren. Was bliebe, wären Frustrierte, die sich auf Dauer erneut nicht halten lassen und überforderte Neuanfänger, die keine Vorbilder mehr haben.

Stabilere Dienstpläne und weniger Rückrufe aus freien Tagen ließen sich übrigens flächendeckend hervorragend umsetzen, wenn sich die Fehlzeiten infolge Krankheit deutlich reduzieren ließen. Hat Herr Westerfellhaus sich eigentlich schon gefragt, warum Pflegekräfte seit Jahren die branchenübergreifenden krankheitsbedingten Fehltage-Statistiken anführen?! Wie wäre es z.B. mit einer adäquaten finanziellen Förderung gesundheitsfördernder Konzepte?! Dabei sollte allerdings nicht ständig gern außer Acht gelassen werden, dass Pflegebedürftige, die vor allem stationäre Pflege in Anspruch nehmen, in der Regel rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche - und nicht nur im Frühdienst an Werktagen zwischen 8:00 und 13:00 Uhr versorgt werden wollen. Die Prämien des Herrn Westerfellhaus wären daher wahrscheinlich besser für diejenigen angelegt, die so flexibel wie möglich zu allen Zeiten des Tages einsetzbar sind.
Ferner liegt die Entlastung bei Dokumentationspflichten nicht in der Hand der Pflegeanbieter, sondern in der des Gesetzgebers und der Kostenträger. Wo werden die eigentlich in die Pflicht genommen?!
Ach, ja – und dass der ehemals langjährige Funktionär eines der Krankenpflege nahestehenden Verbandes und gelernte Anästhesie- und Intensivpfleger einen motivierenden Impuls darin sieht, dass Pflegekräfte chronische Wunden versorgen dürfen, ringt den ,,Altgedienten‘‘ nur noch ein müdes Lächeln ab: Was glaubt Herr W. eigentlich, wer seit Jahren in ambulanter und vollstationärer Pflege die Behandlung chronischer Wunden – oft gegen den Widerstand so mancher budgetorientierter, fachlich ahnungsloser Mediziner – in heilsamen Bahnen lenkt?!
Wer allein die Medizinalisierung der Pflege als gewinnbringenden Faktor ins Auge fasst, droht blind gegenüber den mindestens ebenso bedeutsamen psychosozialen Aspekten von Pflege zu werden. Aber dieses Feld überlässt man ja schon länger lieber den billigeren, in Crashkursen ausgebildeten zusätzlichen Betreuungskräften. Ob die angekündigten ,,Behandlungspflegekräfte‘‘ übrigens wohl in nicht mehr behandlungsfähigen Situationen, wie sie im Pflegealltag jedes Sektors täglich millionenfach zu erleben sind, weiterhelfen werden?! Statt dessen wird vor allem mit der ,,Altenpflege‘‘ ausgerechnet diejenige Profession, die sich - weltweit einzigartig – über fünf Jahrzehnte am ehesten eine eigenständige professionelle Kompetenz in Deutschland erarbeitet und erkämpft hat, zugunsten einer zunehmend eindimensionalen Medizinalisierung sowie zur Entlastung der ebenfalls überlasteten Ärzteschaft beerdigt.

Was letztlich ganz und gar fehlt, ist eine bildungspolitische Offensive, die schon in den 9. und 10. Klassen der allgemeinbildenden Schulen ansetzen müsste. Außerdem könnte ein bundesweit geltendes soziales Pflichtjahr - ähnlich dem früheren Zivildienst, allerdings diesmal für junge Männer und Frauen – durchaus hilfreich sein, Menschen, die eigentlich etwas anderes im Sinn hatten, für die Pflege - unter natürlich zu verbessernden Bedingungen - zu begeistern.
Na ja, Erfahrung macht klug, und Herr Westerfellhaus ist schließlich noch neu in seinem Job: Warten wir also erst einmal ab, was überhaupt von den hehren Plänen des Herrn W. am Ende übrig bleibt ...

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